Die Verhandlungen über die künftige Finanzierung der EU würden wohl auch noch 2019 weitergehen, meinte Kurz, er rechne nicht mit einem Abschluss während Österreichs Ratsvorsitz. Bei den Verhandlungen mit London über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, liege viel Verantwortung bei EU-Chefverhandler Michel Barnier, betonte der Bundeskanzler. Noch sei aber nicht abzusehen, wie die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich aussehen würden.
Da durch Großbritannien ein großer Nettozahler wegfalle, müsse es zu einer Effizienzsteigerung im EU-Budget kommen. Auch gelte es, die bestehenden Regeln der Ko-Finanzierung zu evaluieren. Man müsse auch hinterfragen, ob “vieles, das stattfindet, noch Sinn macht”, meinte Kurz. Österreich fühle sich jedenfalls “in der Gruppe der Nettozahler sehr wohl, weil es ein positiver EU-Zugang ist und mit Geld sorgfältig umgegangen wird.” Kurz betonte aber auch, dass die Grundwerte Europas, wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, nicht verhandelbar seien. “Einer von mehreren Zugängen” sei es, dies auch mit finanziellen Mitteln zu verknüpfen.
Kampf gegen illegale Migration als Schwerpunkt
Österreich setze “auf ein Europa, das schützt”. Dafür sei es notwendig, in einigen Bereichen auf eine tiefere Zusammenarbeit zu setzen, sich im Kleineren aber zurückzunehmen, betonte der Bundeskanzler. An die erste Stelle seiner Agenda stellte er den Kampf gegen illegale Migration und für mehr Sicherheit in Europa. So soll auch der am 20. September in Salzburg stattfindende Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs diesem Thema gewidmet sein.
Dazu gelte “statt Streit über Verteilung (von Flüchtlingen, Anm.) den Fokus auf den Außengrenzschutz zu legen”, denn dieser dürfe nicht allein Italien und Griechenland überlassen werden. Er sei “zu 100 Prozent überzeugt, dass es zu stärkerer Hilfe vor Ort kommen wird”, aber auch eine Ausweitung des Mandats der EU-Grenzschutzagentur Frontex werde diskutiert, sagte Kurz. “Wenn es uns gelingt, die illegale Migration zu stoppen, wird das für mehr Sicherheit in der EU sorgen”, zeigte er sich überzeugt.
Kurz möchte Wohlstand sichern
Außerdem gebe es die Notwendigkeit, den Wohlstand zu sichern, so der Kanzler. Gelingen solle das etwa durch die Vollendung des digitalen Binnenmarkts. So hätten sich die EU-Staaten auf das Ende des Geoblockings beim Internethandel geeinigt. Ein Thema werde auch der Kampf gegen Internetgiganten wie Google oder Facebook. “Es gibt hier das Konzept der digitalen Betriebsstätte”, meinte Kurz. Das Ziel sei es, hier “Waffengleichheit” zu schaffen und dort zu besteuern “wo die Gewinne anfallen”.
Die Sicherheit in der Nachbarschaft sei der dritte Schwerpunkt Österreichs, sagte Kurz. Bei der Integration der Westbalkanländer arbeite Wien eng mit Bulgarien, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, zusammen. So finde am 17. Mai auch eine Westbalkankonferenz in Sofia statt. Sehr wichtig sei es aber auch, Spannungen innerhalb der EU zu verhindern, meinte Kurz. “Wir werden alles dafür tun, um eine Spaltung der EU zu vermeiden”, betonte er. Österreich wolle “Brücken bauen” und ein “neutraler Makler” sein.
Stabilisierung Südosteuropas als Thema des EU-Ratsvorsitzes
Kneissl betonte, dies sei der erste Ratsvorsitz Österreichs nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, der die Schaffung des Postens des EU-Außenbeauftragten vorsah. Daher werde im Bereich der Außenpolitik Federica Mogherini in vielen Bereichen den Vorsitz führen. Sie sei aber in gutem Kontakt mit der EU-Außenbeauftragten und werde sie, “wo es erforderlich und erwünscht ist”, vertreten.
Außenpolitische Themen würden neben der Stabilisierung Südosteuropas und den externen Aspekten der Migration auch die Weiterführung der EU-Globalstrategie sein. So sei etwa ein EU-Asien-Gipfel am 23. und 24. November geplant. “Es ist uns klar, dass in Asien die wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen liegen”, meinte Kneissl. Aber auch Sicherheits- und Verteidigungspolitik bliebe auf der Agenda. Die Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) sei zwar “territorial besiegt”, werde aber laut vielen Experten “als digitales Kalifat weiterleben”, warnte die Außenministerin.
Sicherheit soll während EU-Ratsvorsitz Österreichs erhöht werden
Das Budget der österreichischen Ratspräsidentschaft werde mit etwa 43 Millionen Euro gleich hoch sein wie 2006, erklärte Blümel. Die Ratspräsidentschaft solle jedenfalls dazu genützt werden, “die Sichtbarkeit Österreichs in Europa und der Welt zu erhöhen”. Er werde den Vorsitz im Rat für Allgemeine Angelegenheiten, dem Rat nach Artikel 50 (regelt den Austritt eines Mitgliedsstaates aus der EU, Anm.) und im Rat für kulturelle Angelegenheiten führen, betonte der Kanzleramtsminister. Es werde sicher eine intensive Zeit, da im Frühjahr 2019 ja auch ein neues Europaparlament gewählt werde, sagte Blümel. 190 Dossiers seien am Tisch, einige kämen sicher noch dazu, und diese gelte es dann abzuarbeiten.
APA/Red.