
Man nennt sie "Erdbeerwoche" oder "Rote Welle", spricht darüber nur im Flüsterton und errötet, wenn versehentlich ein Tampon aus der Tasche rollt. Obwohl die Hälfte der Menschheit von der Regelblutung betroffen ist, ist es immer noch ein Tabu, offen darüber zu reden. Das zeigt sich auch in der Werbung, wo Hygieneartikel mit blauer, steriler Flüssigkeit beworben werden: Blut, so die Botschaft, sei unrein, unnatürlich, unweiblich.
"Aus unserer Aufklärungsarbeit wissen wir, dass die Periode noch immer ein großes Tabuthema für viele Mädchen darstellt", sagt Bettina Steinbrugger vom Wiener Start-up , das sich der Verbreitung nachhaltiger Hygieneartikel verschrieben hat und die Regelblutung aus dem Ekel-Eck holen möchte. Eine Umfrage unter 1100 Jugendlichen brachte kürzlich große Wissenslücken zutage (siehe Grafik): 17 Prozent der Mädchen und 34 Prozent der Buben wissen demnach nicht, was Menstruation bedeutet, 60 Prozent der befragten Mädchen haben eine negative Einstellung zu ihrer Regel. "Das haben wir so nicht erwartet", sagt Steinbrugger.
Foto: /Grafik
Ein Teufelskreis – denn Tabus, so Steinbrugger, können nur gebrochen werden, wenn die Gesellschaft ausreichend über das Thema informiert ist. Als Reaktion auf die teils schockierenden Umfrageergebnisse entstand nun die digitale Lernplattform "Ready for Red", die heute präsentiert wird und sich an Jugendliche von elf bis 16 Jahren richtet. In 50 Lernspielen wird Mädchen und Buben Basiswissen zum Zyklus, den Geschlechtsorganen, Verhütung, Regelschmerzen und dem gesellschaftlichen Umgang mit der Menstruation vermittelt. Die Plattform soll mit Unterstützung der Stadt Wien im Unterricht zum Einsatz kommen.
"Aus unserer Sicht ist das Thema Menstruation in den österreichischen Lehrplänen noch immer unterrepräsentiert", sagt Bettina Steinbrugger, die "Ready for Red" mitentwickelt hat. Das fehlende Wissen der Teenager hänge aber auch mit dem Umgang der Gesellschaft zusammen. "Jahrzehntelang hat uns die Werbung vorgegaukelt, dass Menstruationsblut blau sei. Rote Flüssigkeit ruft bei vielen Menschen noch immer Ekel hervor." Ein Stigma mit Folgen: Junge Mädchen, die monatlich mit starken Schmerzen kämpfen, trauen sich in der Schule oft nicht, jemandem davon zu erzählen. Selbst für erwachsene Frauen sei das Fragen nach einem Tampon häufig mit Scham verbunden – "fast so, als würden sie nach Drogen fragen. Wie sollen junge Menschen schambefreit darüber sprechen, wenn es schon für Erwachsene ein Problem darstellt?"
Zuletzt rückte das Thema dank der sozialen Medien verstärkt in den Fokus: 2015 gab es einen Aufschrei, als Instagram das Foto einer Frau löschte, weil auf ihrer grauen Jogginghose ein Blutfleck zu sehen war. Die Fotografin erhielt daraufhin so viel Unterstützung, dass sich Instagram entschuldigte. Im selben Jahr lief die Kiran Gandhi trotz Periode den London-Marathon; als sie das Ziel erreichte, lief ihr das Blut über die Oberschenkel, die Fotos gingen um die Welt. Sie hatte bewusst auf einen Tampon verzichtet – um zu zeigen, dass die monatliche Blutung etwas "ganz Normales" sei, für das sich keine Frau und kein Mädchen schämen müsse.
Tipp: Im Rahmen des Riot Festivals diskutieren Expertinnen heute um 19.30 Uhr über Frauengesundheit (Angewandte Innovation Lab, 1., Franz-Josefs-Kai 3). riotfestival.at
