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Ungeschminkt: Ledecka sorgt für Lacher

1-01-1970, 00:00

Ester Ledecka hat für die größte Ski-Sensation in der Geschichte der Olympischen Winterspiele gesorgt. Mit Startnummer 26 verwies die 22-jährige Snowboard-Weltmeisterin am Samstag in Jeongseon "Titelverteidigerin" Anna Veith um ein Hundertstel auf Platz zwei und war darüber selbst so baff, dass sie es lange nicht glauben konnte. Zur Sieger-Pressekonferenz trug Ledecka ihre Skibrille

"Ich war nicht darauf vorbereitet, bei der Zeremonie zu sein. Ich habe kein Make-up", erklärte Ledecka, warum sie ihre Augen nicht zeigen wollte. Mit diesem Manöver hatte die Sportlerin, die ihren klug gewählten Sponsor (Coca Cola) auch bei Olympia präsentieren darf und für sich die Marke "STR" erfunden hat, in der Sekunde die Sympathie eines ganze Olympia-Pressezentrums auf ihrer Seite.

Die weitere Fragerunde verlief ähnlich ungewöhnlich. Ob sie nun plane, bei den Sommerspielen 2020 in Tokio im Surfen teilzunehmen, wurde das Multisport-Talent scherzhaft gefragt. "Sicher. Wieso nicht?", antwortete Ledecka schlagfertig und auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Ski- und Snowboard meinte sie lapidar: "Na ja, beide gehen bergab."

Ein wenig hatte man das Gefühl, dass Ledecka der ganze Wirbel um sie zunächst zu viel war. Sie ist als zweifache Snowboard-Weltmeisterin Interviews gewohnt, allerdings im kleinerem Rahmen. Ihre Coaches hatten an diesem Tag drei Snowboards hergerichtet, um nach dem Super-G endlich die Vorbereitung für den Kampf um Gold im Parallel-Riesentorlauf der Snowboarder kommende Woche anzugehen. Die Übungseinheit fiel aus.

So viele Zuschauer wie bisher noch nie bei den Winterspielen 2018 hatte sich beim ersten Alpinski-Rennen, das am geplanten Tag stattfand, im Jeongseon Alpine Centre eingefunden. Sie erlebten eine Hundertstelschlacht, bei der die fünftplatzierte Südtirolerin Johanna Schnarf nur 16/100el hinter der Siegerin lag. Zudem das heroische Comeback von Veith, die 26 Minuten und 36 Sekunden lang erneut Olympiasiegerin geworden zu sein schien.

"Sie ist so selten dabei, dass wir alle nicht wussten, wie stark sie ist"

Dann aber stellte ausgerechnet die Ski fahrende Snowboarderin Ledecka alles auf den Kopf. Platz 7 in der Abfahrt von Lake Louise ist ihr bestes Weltcup-Ergebnis auf Skiern. "Sie ist so selten dabei, dass wir alle nicht wussten, wie stark sie ist", erklärte Veith. Ledecka lag mit hoher Startnummer bei keiner Zwischenzeiten voran, im Ziel aber eine Hundertstel vor Veith. Es reichte, um für die größte Sensation im Olympia-Skisport überhaupt zu sorgen.

Bisher hat es bei den Frauen nur die Russin Anfissa Reszowa geschafft, Olympia-Medaillen in zwei verschiedenen Bewerben zu gewinnen. 1988 und 1994 allerdings im wesentlich ähnlicheren Langlauf und Biathlon. Ledecka ist zweifache Snowboard-Weltmeisterin und hat 14 Weltcupsiege zu Buche stehen. In einer Woche gilt sie im Kampf um Olympia-Gold im PGS als große Favoritin. Den Hang kennt sie nicht, weil sie während der Olympia-Generalprobe 2017 bei der Ski-WM in St. Moritz gestartet ist.

So groß die Sensation auch ist, es war nicht die erste Medaille in Ledeckas Familie. Großvater Jan Klapac hatte einst mit dem tschechischen Eishockey-Team mehrmals Edelmetall geholt. Mama Zuzana, eine ehemalige Eiskunstläuferin, war beim Triumph in Korea ebenso anwesend wie der Musiker-Papa Janek Ledecky.

Auch Bruder Jonas hilft im Team mit und ist als Designer für die "Super-Heldinnen"-Rennanzüge seiner Schwester verantwortlich. Die Brüder Tomas und Ondrej Bank sind ihre Ski-Coaches, am Snowboard ist das der Amerikaner Justin Reiter. Das Werkl rennt trotz der ständigen Ski-Snowboard-Rochaden seit Jahren gut geschmiert.

Dass Ledecka professionell vom Snowboard auf Ski wechselte, hat in der steirischen Ramsau ihren Anfang genommen. Ihr damaliger Snowboard-Trainer Richard Pickl legte 2014 die talentierte Tschechin Christian Höflehner ans Herz und der Atomic-Rennchef war vom ersten Moment an begeistert gewesen.

"Ich dachte, ich sehe nicht richtig

"Ich dachte, ich sehe nicht richtig", erinnert sich Höflehner. Die Frage, ob sie sich im wesentlich schnelleren Abfahrtssport nicht fürchte, habe sie damals mit dem lapidaren Satz beantwortet: "Auf zwei Ski und mit Stöcken in der Hand kann man nicht umfallen."

Lustig und sympathisch sei Ledecka, so Höflehner, der sich am Samstag aber auch nachdenklich gab. "Ester zeigt, dass man vielleicht einiges überdenken muss. Als Trainer muss ich mich bei so etwas schon fragen, wie das jetzt eigentlich geht", sagte der ehemalige Chef von Österreichs Slalom-Herren. "Vielleicht sollten die anderen auch mehr Snowboard fahren."

Auf einer Kante benutzt Ledecka ebenfalls "österreichisches" Material, nämlich die Bretter von Sigi Grabner. Der Olympia-Dritte von Turin betreibt auch das SG-Pro-Team und wird beim PGS in Korea sein.

"Natürlich ist das auch für uns eine Superstory", war Höflehner bewusst, dass am 17. Februar 2018 etwas Besonderes passiert ist. "Das geht jetzt weit über die Ski-Interessierten Zuschauer oder Medien hinaus. Das Thema geht durch die Decke", war er überzeugt.

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