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Tirol-Wahl: NEOS-Chef für schwarz-pinke Koalition

1-01-1970, 00:00

Eine mögliche schwarz-pinke Koalition, die erste in Österreich, würde Tirol guttun, sagte Spitzenkandidat Dominik Oberhofer im APA-Interview. Er ortete in der Tiroler-ÖVP jedenfalls viele NEOS-Unterstützer. Das NEOS-Potenzial bei der Wahl schätzte er auf bis zu acht Prozent. Mit dem Landtagseinzug, also dem Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde, wäre man aber schon “grundsätzlich zufrieden”, so der 37-jährige Hotelier Oberhofer, aber: “Mehr nehmen wir immer”. Um das Ziel Landtagseinzug zu schaffen, müsse man jedenfalls in den kommenden Wochen “laufen, laufen, laufen”. Im Gegensatz zum ursprünglichen Vorhaben werde man übrigens doch auf Wahlplakate setzen – wenn auch in geringem Ausmaß und nur in den beiden letzten Wochen vor der Wahl. 99 großflächige Plakate werden tirolweit affichiert, kündigte Oberhofer an. Den Landtagseinzug der NEOS in Niederösterreich bezeichnete er als “Riesenüberraschung”. Dies zeige, dass die Pinken auch “im Land angekommen” sind – schließlich weise Niederösterreich im Gegensatz zu Tirol keine Stadt der Größe Innsbrucks auf. Das Ergebnis, ein “Rückenwind aus dem Osten”, zeige, dass es sich auszahle, sich als “Gegenpol” zu den Regierenden zu positionieren und gleichzeitig aber als konstruktive Alternative aufzutreten.

NEOS wollen in Tirol gestalten

“Wir drängen nicht um jeden Preis in eine Regierung. Wir drängen ins Gestalten. Das kann man auch in der Opposition”, betonte Oberhofer. Tirol habe keinen “Vorsprung”, wie Landeshauptmann Günther Platter und die ÖVP in ihrer Wahlkampagne behaupten, sondern einen “absoluten Stau”. “Das Land ist grau wie die Maus und wird nur verwaltet von Bürokraten und Bürokratie. Die Politik entscheidet keine Zukunftsfragen, sondern verwaltet nur das Heute und Jetzt”, ging der NEOS-Landessprecher mit den schwarz-grünen Regierenden scharf ins Gericht. Ein schwarz-pink regiertes Tirol würde sich hingegen von einem schwarz-grün regierten dadurch unterscheiden, dass NEOS “Zukunft und Innovation im Auge” hätten.

Zwar attestierte er Schwarz-Grün auch positive Maßnahmen wie das tirolweite Öffi-Ticket oder die Stärkung des Wissenschaftsstandortes, etwa was die Fachhochschule in Kufstein betrifft. Aber die “gewaltigen Erwartungen”, die vor allem von grüner Seite geschürt worden seien, wurden nicht erfüllt, meinte der NEOS-Frontmann.

Bildung, Verkehr und Wohnen als Themen der NEOS

Die Kernthemen der Pinken in Tirol seien Bildung, Verkehr und leistbares Wohnen. In zwei Bereichen, nämlich Bildung und Wohnen, gebe es auch klare “rote Linien” bzw. Bedingungen für eine etwaige Koalitionsbeteiligung. Ohne eine in einem Koalitionsvertrag enthaltene “Bildungswende” stünden NEOS nicht für eine Regierungszusammenarbeit zur Verfügung. In dieser “Bildungswende” enthalten müsste etwa ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung sein – mit einer entsprechenden finanziellen Unterstützung der Gemeinden durch das Land. Einen starken Fokus wollen die NEOS auch auf die duale Ausbildung bzw. Lehre mit Matura legen, sagte Oberhofer. Breite Berufsgruppen würden derzeit etwa von der Lehre mit Matura ausgeschlossen werden. “Wie soll ein Koch- oder Kellnerlehrling Lehre mit Matura machen, wenn gleichzeitig eine Abendschule zu absolvieren ist? Der hat ja keine Chance”, fragte sich der Hotelier. Zudem sei das “System in den 1980er-Jahren stecken geblieben”, spielte Oberhofer etwa auf dieselbe Dauer der Lehrzeiten in den verschiedenen Berufen an. Hier brauche es eine Flexibilisierung. Zudem müssten die Berufsschulen ausgebaut und deren Lehrpläne umgekrempelt werden. Überdies brauche es eine Stärkung der Volksschulen – dort müsse das Land dringend in die Infrastruktur investieren.

NEOS wollen Zweckwidmung der Wohnbauförderung in Tirol

Im Bereich Wohnen sei eine Zweckwidmung der Wohnbauförderung unabdingbar – 70 Millionen Euro würden momentan im Landesbudget versickern. Zudem trat Oberhofer bei den Freizeitwohnsitzen für die Einführung einer Zwangsabgabe ein, die verpflichtet den Gemeinden zugeführt werden müsse – und zwar im Ausmaß von 0,5 Prozent des Verkehrswertes. Eine NEOS-Koalitionsbedingung sei auch die Schaffung einer Transparenzdatenbank in Tirol, griff Oberhofer eine Forderung von NEOS-Bundeschef Matthias Strolz auf.

In der Verkehrspolitik bzw. der Transitproblematik ortete der NEOS-Spitzenkandidat Populismus allenthalben – vor allem auch bei Schwarz und Grün. Die Halbierung des Schwerverkehrs zu versprechen wie etwa die Grünen, sei “unverantwortlich, weltfremd und absolut undenkbar”. Eine wirkliche Entlastung bringe weder das Sektorale Lkw-Fahrverbot noch die Blockabfertigungen, sondern nur die rasche Fertigstellung des Brennerbasistunnels sowie eine “europäische Maut”. Indes verteidigte Oberhofer seine Forderung nach einer dritten Fahrspur auf der Autobahn. Es gehe um die Verkehrssicherheit, diese sei nicht mehr gegeben. “Es braucht einen teilweisen Ausbau”, so der NEOS-Mann.

Oberhofer sieht sich als “liberaler Überzeugungstäter”

Der 37-jährige Hotelier aus dem Stubaital und laut eigenen Angaben “liberale Überzeugungstäter” soll die liberale Bewegung in einem Bundesland verankern, das nicht gerade als Epizentrum des politischen Liberalismus gilt. Helfen soll im Wahlkampf eine gehörige Portion Matthias Strolz. Der Vater zweier Söhne hat sich schon sehr früh der liberalen Idee verschrieben – und zwar im Jahr 1996 zu Zeiten von Heide Schmidt und ihres Liberalen Forums, bei dem er damals Mitglied wurde. Folgerichtig würde er sich auch kurz und knapp als “Liberalen” und nicht als “bürgerlichen Liberalen” oder “liberalen Bürgerlichen” bezeichnen, erklärte Oberhofer im Interview mit der APA. Dahin gehend sei er politisch “anders verortet” als etwa NEOS-Bundesparteichef Matthias Strolz oder NEOS Wien-Frontfrau Beate Meinl-Reisinger, die beide aus der ÖVP kommen.

Politisch geprägt wurde der Tiroler, der mit einer Deutschen verheiratet ist, auch von der Paneuropabewegung, der er von 2001 bis 2009 in Tirol vorstand. Zuvor hatte er bereits als 17-jähriger Schüler eine Veranstaltung zum Thema Paneuropa organisiert und Karl von Habsburg zur Diskussion eingeladen.

Oberhofer wurde 2016 Landessprecher der NEOS

Ein richtiger Liberaler müsse sowohl gesellschaftspolitisch als auch wirtschaftspolitisch liberal sein, zeigt sich der NEOS-Spitzenkandidat überzeugt. Das eine bedinge das andere. Und Oberhofer tritt auch für – in Tirol wohl nicht gerade unumstrittene – gesellschaftsliberale Positionen ein: So etwa für die Möglichkeit von Abtreibungen in öffentlichen Krankenhäusern, für ein “Aus” des Kruzifix in Klassenzimmern sowie für die Homo-Ehe.

Im Jahr 2016 wurde der Stubaitaler zum NEOS-Landessprecher gewählt. Nun hat er den politischen Elchtest zu bestehen. Auf bis zu acht Prozent schätzt er das Potenzial der Pinken in Tirol. Um dieses vielleicht sogar auszuschöpfen bzw. wenigstens knapp in den Landtag einzuziehen, müssen die NEOS wohl vorwiegend im städtischen Bereich – und dabei vor allem in Innsbruck – mehr als punkten. Die Chancen dürften nicht so schlecht stehen, liegen doch beträchtliche Wählerstimmen im bürgerlichen Spektrum – etwa durch das Nicht-Mehr-Antreten von Vorwärts Tirol, dem Team Stronach oder von Fritz Gurgiser – am Markt. Auch bei möglichen Grün-Enttäuschten wollen die NEOS “grasen”. Oberhofer und die Seinen präsentieren sich jedenfalls als konstruktive Alternative mit einem innovativen Politikansatz, die auch mit einer Regierungsbeteiligung, also Schwarz-Pink, liebäugelt.

Oberhofer noch nicht bekannt in Tirol

Ein Manko des durchaus eloquenten und mitunter emotional auftretenden Oberhofer: Er ist bis dato in der breiten, weniger politikinteressierten Öffentlichkeit wenig bekannt. Wohl nicht zuletzt deshalb, entschloss man sich nun doch – zumindest im Finish des Wahlkampfes – auf Wahlplakate mit dem Konterfei des Spitzenkandidaten zu setzen. Einer, dem es in punkto Bekanntheit nachzueifern gilt, wird Tirol in den kommenden Wochen öfters einen Besuch abstatten: Bundesparteichef Strolz. Er ist das Trumpf-Ass der Tiroler NEOS im Kampf um den Landtagseinzug.

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