
Wie gut integriert sind in Österreich? Gut eine halbe Million Menschen dieser Glaubensrichtung lebt in Österreich. Wie leicht sie Arbeit finden, wie es um ihren Spracherwerb steht, wie groß ihre gesellschaftliche Teilhabe ist, das hat nun auch die deutsche Bertelsmann-Stiftung eruiert. Anders als im , in dem generell Migranten im Fokus standen, wird darin auch die Lage der Muslime in Österreich mit jenen in der Schweiz, Deutschland, Frankreich und Großbritannien analysiert und verglichen.
Das Urteil, zu dem die Forscher rund um Dirk Halm und Martina Sauer kommen, ist recht durchwachsen. In puncto Landessprache sind Muslime in Österreich etwa deutlich später dran als in anderen Ländern. Während in Frankreich 57 Prozent der ersten Einwanderergeneration bereits im Kindesalter französisch sprechen, sind es in Österreich nur 21 Prozent. In den Nachfolgegenerationen steigt der Anteil immerhin auf 70 Prozent, womit Österreich aber auch noch im unteren Drittel liegt.
Bei der Dauer des Schulbesuchs - gemessen wurde, ob unter Einwandererkindern die Schule vor oder nach dem 16 .Geburtstag beendet wurde - rangieren Österreichs Muslime im Mittelfeld. Immerhin vier von zehn der in Österreich geborenen Muslime verlassen die Schule bereits vor dem 17. Lebensjahr. In Frankreich sind es nur elf Prozent, die so früh mit der Schule aufhören. Der Grund dafür liege, so die Studie, im Bildungssystem: In Frankreich werde sehr spät, in Österreich sehr früh selektiert - und das sei nicht integrationsförderlich.
Foto: Bertelsmann Stiftung Zu einem einigermaßen positiven Ergebnis kommt die Studie, was den Arbeitsmarkt angeht - hier attestieren die Forscher Österreich gute Bedingungen bei der Integration von Zuwanderern. Allein: Die angespannte Arbeitsmarktsituation macht diesen Vorteil wieder zunichte, Muslime sind stärker aus dem Erwerbsleben ausgeschlossen als Nichtmuslime. Gut sichtbar ist das bei den Arbeitslosenzahlen: Während drei Prozent der befragten Nichtmuslime als joblos gemeldet sind, sind es unter Muslimen elf. In Deutschland, wo derzeit beinahe Vollbeschäftigung herrscht, ist das Verhältnis deutlich besser.
Dazu bestätigt sich die Annahme, dass muslimische Frauen seltener erwerbstätig sind. Während 43 Prozent der Nichtmusliminnen einer Vollzeit-Arbeit nachgehen, sind es bei Musliminnen es nur 34 Prozent - das "hängt vermutlich mit traditionellen Rollenerwartungen zusammen", so die Forscher.
Was das Sozialleben angeht, so stellt die Studie in Österreich "eine besonders widersprüchliche Lage" fest. Denn einerseits genieße der Islam hier dieselben Rechte wie etwa die christlichen Kirchen, andererseits schlage sich diese Offenheit nicht nieder - Österreichs Muslime verbringen im Vergleich am wenigsten Zeit mit Vertretern anderer Religionen. Nur 62 Prozent geben an, ihre Freizeit auch mit Nichtmuslimen zu verbringen; in der Schweiz sind es immerhin 87 Prozent.
Woran das liegt? Durchaus auch daran, dass die Mehrheitsgesellschaft hierzulande nicht durchwegs positiv eingestellt ist, so die Forscher: Nirgendwo ist die Islamablehnung nämlich so stark ausgeprägt wie in Österreich. 28 Prozent geben an, lieber nicht neben Muslimen wohnen zu wollen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 19, in Frankreich nur 14 Prozent. Ähnlich ist die Lage in puncto empfundene Diskriminierung. 68 Prozent der befragten Muslime in Österreich sagten da, in den vergangenen 12 Monaten schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. In der Schweiz und in Deutschland fühlt sich nur etwa ein Drittel diskriminiert.
Foto: Bertelsmann Stiftung Die häufig zitierte muslimische Parallelgesellschaft gebe es dennoch kaum - sie sei die Ausnahme und nicht die Regel, so die Experten. Das belegen die Zahlen: Nur drei Prozent aller Muslime in Österreich haben gar keinen Kontakt zu Personen anderer Religionszugehörigkeit. Frauen und Männer betrifft das übrigens gleichermaßen: Sie pflegen interreligiöse Freizeitkontakte im selben Ausmaß.
Wie viel Teilhabe man als Muslim in Österreich genießt, hängt aber auch von der eigenen Religiosität ab. Fromme Muslime verfügen auch bei guter Bildung öfter über ein geringeres Einkommen und sind seltener berufstätig. Das möge daran liegen, dass fromme Muslime sichtbare religiöse Symbole tragen und dadurch öfter diskriminiert werden, was wiederum die Chancen auf dem Arbeitsmarkt reduziert, so der Bericht. Andererseits könne eine strikte Befolgung religiöser Pflichten - wie etwa das fünfmalige Gebet - freilich auch eine Erwerbsbeteiligung erschweren.
Foto: Bertelsmann Stiftung Dass das Verhältnis also kompliziert ist, kann auch daran liegen, dass sich in Österreich besonders viele Muslime als sehr religiös einstufen. 42 Prozent üben regelmäßig das fünfmalige Pflichtgebet aus und gehen zum Freitagsgebet in einer Moschee, sie gelten damit als hochreligiös (zum Vergleich: in Frankreich ist es nur ein Drittel). Bei Nichtmuslimen liegt die Anzahl der Hochreligiösen nur bei 18 Prozent.
Das hat jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Identifikation mit dem Aufnahmeland: Österreichs Muslime fühlen sich zu 88 Prozent emotional mit Österreich verbunden. Das ist ein hoher Wert, wenngleich im Ländervergleich auch der niedrigste im Ländervergleich: In Deutschland sind es 96 Prozent, die sich mit dem Aufnahmeland verbunden fühlen.
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Rund 500.000 Muslime leben in Österreich, das sind zwischen 6,2 und 6,8 Prozent der Gesamtbevölkerung und im Verhältnis mehr als in Deutschland. Die Hauptgruppe stellen Gastarbeitermigranten aus der Türkei und vom Balkan sowie Geflüchtete aus den Balkankriegen. 74 Prozent der Muslime in Österreich stammen aus der Türkei, 24 Prozent aus Südosteuropa; 64 Prozent sind Sunniten, nur 4 Prozent Schiiten, dafür über 18 Prozent Aleviten.
Der Bertelsmann-Religionsmonitor, auf dem die Studie basiert, wurde nach 2007 und 2013 nun zum dritten Mal von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht. Mehr als 10.000 Menschen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien und der Türkei haben sich an den Befragungen beteiligt.
