
Die finnische Stadt Seinäjaki hatte dasselbe Problem wie Österreich: Die Zahl der Kinder mit Übergewicht ist stark gestiegen. Bis man 2013 die Notbremse zog – und einen Aktionsplan ins Leben rief: Einheitliche Standards für gesundes – und günstiges – Essen in der Schule, Bewegungseinheiten, die in den Unterricht integriert sind, Stehpulte, damit die Kinder weniger sitzen, Lebensstilberatung der künftigen Eltern bereits in der Schwangerschaft und generell eine enge Kooperation mit den Familien. Damit konnte innerhalb von fünf Jahren die Zahl übergewichtiger Schulkinder halbiert werden.
Für Daniel Weghuber, Kinderarzt am Universitätsklinikum Salzburg, bräuchte es auch in Österreich einen solchen koordinierten Aktionsplan. Weghuber ist einer der Autoren einer im Rahmen der der Weltgesundheitsorganisation (WHO) - der KURIER berichtete. An 200 per Zufallsstichprobe ausgewählten Volksschulen wurden 2510 Kinder im Alter von acht bis neun Jahren (dritte Schulstufe) untersucht: Demnach sind österreichweit rund 30 Prozent der Buben übergewichtig oder adipös. Bei den Mädchen sind es 21 Prozent im Westen und 29 Prozent im Osten. Diese Zahlen bedeuten einen Anstieg von ungefähr fünf Prozent in den vergangenen sieben Jahren.
Sehen Sie in der Infografik die wichtigsten Daten der Kinderstudie und des Ernährungsberichts:
Foto: /Grafik Besonders beunruhigend ist, dass es bei den extrem übergewichtigen Kindern einen sehr hohen Anstieg gab. So sind in Südösterreich bereits 5,2 Prozent der Buben von "extremer Adipositas" betroffen – der Spitzenwert in Österreich.
Dass es oft einfache Maßnahmen sind, die viel bewirken, zeigte eine Studie: In Schulen, in denen kostenlos Gemüse angeboten wird, ist die Rate der übergewichtigen Kinder deutlich geringer. Gibt es gar kein Gemüseangebot oder kostet es etwas, steigt die Zahl der übergewichtigen Kinder an – stärker bei ersterem. Im städtischen Umfeld war der Anteil der übergewichtigen Kinder übrigens deutlich höher – ebenso in Schulen, wo ein eigener Turnsaal fehlte.
Ein Problem sei auch der fehlende Bezug zur Lebensmittelherstellung: "Die meisten wissen nicht, was in den Produkten enthalten ist und was Qualität ausmacht", sagt Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften der Uni Wien und einer der Autoren des . Dieser befasst sich mit der Situation der 18- bis 64-Jährigen.
Laut Karin Schindler vom Gesundheitsministerium seien bereits zahlreiche Maßnahmen gesetzt worden: Etwa Ernährungsempfehlungen für Kinder oder eine Initiative für gesunde Schulbuffets.
Die positive Nachricht: Im Gegensatz zu den Kindern stagniert bei den Erwachsenen der Prozentsatz der Übergewichtigen – auf hohem Niveau. 41 Prozent der Erwachsenen sind übergewichtig bzw. adipös, wobei der Anteil mit steigendem Alter zunimmt. Ein Grund: Ein nach wie vor zu hoher Zucker- und Fettkonsum. Nicht nur die Frauen, auch die Männer essen zu viel Süßes, und bei den Männern beträgt der Fleischkonsum das Dreifache der empfohlenen Menge.
Foto: Kurier/Juerg Christandl Was mit gezielten Maßnahmen möglich ist, zeigt das in Wien. In einer Schule in Wien-Meidling werden acht- bis zehnjährigen Schülern spezielle Unterrichtsstunden zum Thema Ernährung sowie 16 zusätzliche Bewegungseinheiten pro Semester im Rahmen des regulären Unterrichts angeboten. Eine Zwischenauswertung zeigt: "Der Gesundheitszustand hat sich dadurch deutlich verbessert", sagt , Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin und Leiter des Projekts.
Foto: Kurier/Juerg Christandl Im Gegensatz dazu zeigte sich an einer Vergleichsschule ohne zusätzliche Angebote keine Verbesserungen. "Wir benötigen Schulungen für die Lehrer, und die Schulärzte müssen mehr in die Prävention eingebunden werden. Dafür braucht es aber öffentliche Mittel. Unser Projekt lebt derzeit nur dank privater Sponsoren – das kann nicht die Zukunft sein."
