
Wer hat die größeren Stars, die packenderen Plots, die wirkungsvollere Magie? Wem gelingt es, die Zuschauer zu fesseln, sie zum Lachen, Weinen und Zittern zu bringen? Im Goldenen Zeitalter Hollywoods kämpften legendäre Filmstudios wie RKO, 20th Century-Fox, Warner Bros., Universal und Metro-Goldwyn-Mayer um die Gunst des Publikums.
Heute, im digitalen Zeitalter, sind es Pay-TV-Sender und Streaming-Dienste, die für filmische Highlights sorgen. Mit Amazon stieg 2014 der größte Medienhändler der Gegenwart in den prestigeträchtigen Kampf um Reichweite und Einschaltquoten. Und definierte sofort die Grenzen der Branche und des Genres neu. Immerhin ist das Internet-Kaufhaus heute die viertwertvollste börsennotierte Firma der Welt und – mit 350.000 Angestellten – auch einer der größten Arbeitgeber der Gegenwart. Nicht von ungefähr war Amazon-Gründer Jeff Bezos heuer mit einem persönlichen Vermögen von knapp unter 90 Milliarden Dollar kurzfristig der reichste Mann der Welt, bevor er durch diverse Börsenturbulenzen wieder hinter Bill „Microsoft“ Gates zurückfiel. Anders gesagt: Seit Amazon in Serien macht, ist die TV-Welt nicht mehr dieselbe wie vorher.
Das Unternehmen aus Seattle wollte in die Königsklasse der Eigenproduktionen – und produzierte gleich zu Beginn mit „Bosch“ eine Crime-Serie, wie man sie noch nicht oft zu sehen bekam. Bald darauf folgte mit „The Man In The High Castle“ eine der ambitioniertesten TV-Produktionen überhaupt. Und in der Verfilmung des Romans von Kult-Autor Philip K. Dick über eine alternative Gegenwart, in der wir damit leben müssen, dass Nazi-Deutschland und Japan den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, zeigt sich auch einer der ganz großen Vorteile der Serie gegenüber dem guten alten Spielfilm. Denn wo früher auch ein Streifen mit Überlänge gehetzt wirkte, sobald er sich auf einen generationenübergreifenden Stoff einließ oder ein literarisches Vorbild auf die Leinwand zu bringen versuchte, spielt heute die TV-Serie ihre Vorteile aus: nachvollziehbare Charakterentwicklung, Zeit für Details und Nebenhandlungen, die eine dichte Atmosphäre erzeugen – Tiefe statt bloßer Breite.
Perfekt umgesetzt auch in der aktuellen Verfilmung von Neil Gaimans Bestseller „American Gods“, und derzeit zu sehen in der Adaption von F. Scott Fitzgeralds „The Last Tycoon“. Dabei geht es bezeichnenderweise um den Kampf der Studiobosse im Hollywood der 30er-Jahre. Das ist großes Kino im TV.
Foto: Adam Rose/2016 Amazon.com, Inc. Was dieser Boom für uns Nutzer bedeutet? Konkurrenz belebt das Geschäft, und je mehr Anbieter sich mit hochqualitativen Produkten um die Gunst der Seher (und Abonnenten) duellieren, desto größer die Vielfalt. Gut so! Kleiner Nachteil: Es wird natürlich ein wenig unübersichtlich. Was läuft wann wo? Vermutlich wird ein einziges TV-Abo auf längere Sicht nicht mehr ausreichen. Aber früher sind die Leute ja auch in die Warner- UND die Universal-Kinos gegangen. Und zu RKO, MGM ...
Amazon, Netflix, HBO/Sky und Hulu – welche Serien man sich heuer noch unbedingt anschauen muss:
: Das Finale der vorletzten Staffel steht vor der Tür. Und wird wohl wieder alle Rekorde brechen. Die teuerste und erfolgreichste Serie aller Zeiten (HBO/Sky).
: Das Buch war Kult – die Serie hat das Zeug dazu. Schräge Dreiecksgeschichte um den unwiderstehlichen Cowboy Kevin Bacon (amazon).
: Hitler hat gewonnen, die USA wurden zwischen Deutschland und Japan aufgeteilt. Mit Ridley Scott produziert Amazon derzeit die dritte Staffel der Serie nach dem Roman von Philip K. Dick (amazon).
: Nach dem preisgekrönten Roman „Der Report der Magd“ von Margaret Atwood. Viel besser umgesetzt als 1990 im Kino. Damals von Volker Schlöndorff (Hulu).
: Die Underwoods (Kevin Spacey und Robin Wright) machen weiter das, was sie am besten können: intrigieren, manipulieren, erpressen und bestechen. Richtig fies und richtig klass seit fünf Staffeln (Netflix/Sky).
: Androidenrevolution im Freizeitpark. Mit Shakespeare-Zitaten und Superstars (Anthony Hopkins, Evan Rachel Wood) ausgestatteter Sci-Fi-Western von Jonathan Nolan und Lisa Joy (HBO/Sky).
: 140 Millionen Menschen, zwei Prozent der Gesamtbevölkerung, verschwinden plötzlich von der Erdoberfläche. Die erste TV-Produktion, die Damon Lindelof nach der Kult-Serie „Lost“ machte. Psychologisch, spirituell und spannend. (Sky)
: Superstar Tom Hardy erfüllte sich mit dieser Serie einen persönlichen Traum. Er schrieb die Story gemeinsam mit seinem Vater, war Produzent und Hauptdarsteller. Vor Kurzem wurde die Serie verlängert, die zweite Staffel erscheint 2018 (BBC1/amazon).
: Für seine Rolle als desillusionierter, kaputter Anwalt in Los Angeles erhielt Billy Bob Thornton (im Bild mit Tania Raymonde) im vergangenen Jahr einen Golden Globe Award (amazon).
: Vergangenen Winter brillierte Brit Marling in dem von ihr geschriebenen, übernatürlichen Thriller (Netflix).
: Mystery, verschwundene Kinder und Geheimnisse à la Stephen King – die Serie mit Winona Ryder und Matthew Modine schlug vergangenes Jahr alle Rekorde, am 26. Oktober startet die zweite Staffel (Netflix).
: Die alten gegen die neuen Götter, Odin (Ian McShane) gegen Technical-Boy, die Göttin Media (Gillian Anderson) und Mr. World, dem Herrn der Globalisierung. Fulminante Umsetzung des Bestsellers von Neil Gaiman (amazon).
: Serienepos nach F. Scott Fitzgeralds unvollendetem Roman über den Studioboss Monroe Stahr. Große Gefühle und der Glamour der frühen Jahre Hollywoods fürs Heim-Kino (amazon).
: Noch ein Geheimtipp: Aber der Horror in der nördlichsten Stadt der Welt kann was. Mit Dennis Quaid, Sofie Gråbøl, Richard "Beric Dondarion" Dormer, Stanley Tucci. (Sky)
: Die „Sopranos“ in Neukölln. Die Serie um eine libanesische Mafiafamilie ist eine der besten deutschen TV-Produktionen der letzten Jahre. (TNT/Sky)
: Der Hacker-Thriller mit Christian Slater und Rami Malek gilt für viele als beste Serie der letzten Jahre. Die dritte Staffel kommt diesen Herbst (Universal Cable/Amazon).
: Nicole Kidman, Reese Witherspoon, Laura Dern, Zoë Kravitz und Alexander Skarsgård in einem fesselnden Gesellschaftsdrama (HBO/Sky).
: 25 Jahre nach den ersten Staffeln sprengt David Lynch die Grenzen des Machbaren erneut. Experimentell, spannend, witzig, gruselig, arty - ein visueller Trip, wie wir ihn im Fernsehen noch nicht erlebt haben. Im Kino auch nicht. (Sky)
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