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Wie man mit Emotionen besser umgeht

11-10-2017, 05:04

Für den Schauspieler und Kabarettisten Thomas Stipsits ist Glück oft etwas Verrücktes – das beschreibt er in seinem neuen Buch (Ueberreuter) anhand von Kurzgeschichten, die zeigen, wie spannend, banal, traurig, schön und fantastisch das Leben sein kann. Glück ist für ihn offenbar etwas, das einem Menschen zufällt. Er zitiert Christine Nöstlinger: „Das Glück ist etwas für Augenblicke.“

Heide-Marie Smolka, österreichische Glücksexpertin, sieht das  etwas anders. Sie ist – ähnlich wie Neurologe Christof Kessler (siehe Interview oben) – überzeugt, dass  es jeder Mensch selbst in der Hand hat, glücklich zu werden. Aus ihrer Sicht ist Glück  Trainingssache – und damit erlernbar. Gemeinsam mit der Kognitionswissenschaftlerin Katharina Turecek hat sie ein neues Emotionsmodell entwickelt, das helfen soll, unterschiedliche Gefühle bewusster wahrzunehmen, um schließlich steuernd einzugreifen.

Foto: /Privat Heide-Marie Smolka: Glück ist eine reine Trainingssache.

Gefühlskoordinaten

Zentrales Element ist der „Stimmungsraum“ – er  versteht sich als Koordinatensystem für Emotionen  zwischen Wut, Turbo, Jammertal und Muße. Mittig liegt der Neutralpunkt,  jener magische Ort, an dem es gelingt, frei von Bewertungen zu sein, zurückgenommen, ruhig. Er gilt als Erholungsinsel der Seele, weil damit Gedanken verknüpft sind wie „Es ist so, ich kann es nicht ändern, ich akzeptiere das“. Zu lernen, wie man sich in diesem Emotions-Koordinatensystem  bewegt, ist Kopfsache. „Dabei ist nicht das Ziel, sein Leben nur mehr in einem Bereich, etwa der Muße,  zu verbringen, sondern es geht darum, selbst zu steuern, wo man sein möchte. Jeder Bereich hat seine Berechtigung. So ist es manchmal richtig, im Jammertal zu sein. In einem Trauerfall ist das die angemessenste Emotion“, sagt Smolka.

Ansteckende Angst

Womit die Psychologin aktuell am häufigsten konfrontiert ist, ist Überforderung: „Menschen erzählen oft, dass ihnen alles zu viel wird, das geht quer durch die Berufsgruppen und hat viel mit dem Sog zu tun, den diese Gesellschaft gerade hat. Dieses immer mehr, immer höher, immer schneller. Hirnpsychologisch hat das einen Suchtfaktor, das ist das Gefährliche daran.“ Dazu geselle sich eine Kultur der Angst und des Jammerns als etwas hochgradig Ansteckendes. Frust, Ärger oder Trauer springen schnell über, auch in Teams oder in einer Gesellschaft. Das hat evolutionäre Ursachen:  „Es ist wichtig, dass unangenehme Emotionen wie Angst ansteckend sind. Da geht es ums Überleben, und da funktionieren wir immer noch wie der Urmensch“. Umso wichtiger sei es,  bewusst gegenzusteuern.

Selbstwahrnehmung

Und was versteht eine Glücksexpertin unter Glück? „Ich unterscheide zwei Arten von Glück. Das eine ist die Zufriedenheit als Basis des Glücks, die eher durch  Denken zustande kommt. Das andere ist das Glück, das über das Fühlen entsteht, über die  Sinne wie  Hören, Sehen, Schmecken.  Bei Zufriedenheit geht es ums Denken,  bei den Glücksmomenten  ums Nicht-Denken“, erklärt  Smolka.    Ein zentraler Punkt dabei sei die Selbstwahrnehmung. „Die meisten Menschen  merken nämlich gar nicht mehr, dass sie –  zum Beispiel–  seit Wochen im Turbo sind.“ Wer  lernt und trainiert, darauf zu achten, kann sich für die passende Ecke im „Stimmungsraum“ entscheiden.

Mehr zum Thema:

Buchtipp:

Foto: /Springer-Verlag „Zum Glück mit Hirn“ von Katharina Turecek und Heide-Marie Smolka. erschienen im Verlag Springer, € 20,46

Wie kann ich dem Leben mehr Qualität geben? Wie kann die  Gesellschaft kollektiv glücklicher werden?  Themen wie diese wurden kürzlich bei der 15. Jahrestagung der   „Internationalen Gesellschaft für Lebensqualitätsforschung“ („International Society for Quality-of-life Studies“, ISQOLS)  in Innsbruck diskutiert.  Rund 500 Teilnehmer sprachen über die aktuellen Erkenntnisse zu Lebensqualität, Wohlbefinden und Glück.  Dabei war etwa  auch der US-amerikanische Wissenschaftler John Helliwell, Herausgeber des  „World Happiness Report“, der heuer  zum fünften Mal veröffentlicht wurde.

Vertrauen ist alles

Ziel dieses Reports ist es unter anderem, die Politik dazu zu bringen, mehr für das Wohlergehen der Bürger und die Vision einer besseren Gesellschaft zu tun.  Wesentlicher Parameter sei  – so Helliwell –  ob ein Mensch die Freiheit hat, sein Leben ohne Einschränkung, in freier Entscheidung, zu leben.  Etwas, das   auch von wirtschaftlichen Faktoren abhängig ist: je größer die Kluft zwischen Reich und Arm, desto brisanter.  Gesellschaftliche Ausgeglichenheit gilt  als  Glücksfaktor.

Helliwells Untersuchungen haben außerdem gezeigt, wie wichtig der soziale Kontext ist, in dem Menschen leben und miteinander verbunden sind. „Es geht um die Gemeinschaft als Ganzes“ sagte er. Dabei sei gegenseitiges Vertrauen   eine wichtige Zutat – „wo Verbindung und Zutrauen fehlt, beginnt eine Negativ-Kaskade“. 

   Ein weiterer Faktor sei Großzügigkeit: „Aus politischer Sicht ist es das Beste, sich für Menschen zu öffnen – ihnen die Möglichkeit zu geben, großzügig zu sein.“

Österreich rangiert im World Happiness Report übrigen auf Platz 13 – von  155  Ländern.  Was sich auf der Straße nicht zwingend an der Stimmungslage der Menschen ablesen lässt. Helliwell ist aber überzeugt, dass es den Menschen  besser geht, als sie denken. Vieles davon sei medial gemacht – oder durch Angstmacherei im Wahlkampf. 

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