
Der Nationalratswahlkampf hat am Donnerstag auch den ORF-Stiftungsrat erreicht. Viel Zeit wurde für "Sommergespräche" und (Nicht-)Urlaube von ORF-Moderator Tarek Leitner und Kanzler Christian Kern verwendet. Zum Thema am Rande wurde auch ein ÖVP-Auftritt von ORF-Co-Kommentatorin und Ex-ÖSV-Star Alexandra Meissnitzer.
ÖVP-Stiftungsrat Thomas Zach attackierte den ORF-General: "Ich habe keine Zweifel an Tarek Leitner als Journalist, aber an Alexander Wrabetz als Informationschef." Er erinnerte daran, dass ORF-Journalisten laut Codex jeglichen "Anschein von Befangenheit" zu vermeiden hätten. Sonst sei "das höchste Gut, das wir haben, in Gefahr – unsere Glaubwürdigkeit". Der Appell ist für Zach auch ein Schlussstrich, um sich drängenden Themen (Bau, Finanzen) zu widmen.
Der einflussreiche SPÖ-Freundeskreisleiter Heinz Lederer mahnte, er habe das "Gefühl", dass "in Zeiten des Wahlkampfs" nicht nur "persönliche Verunglimpfung" von Journalisten, namentlich Leitner, betrieben, sondern generell ein Vorstoß in Richtung Reglementierung der ORF-Journalisten versucht werde. Lederer warnte vor Verhältnissen wie "in einem Nachbarland". "Ich beteilige mich nicht an Ersatzdiskussionen", meinte hingegen FPÖ-Vertreter Norbert Steger. Außerdem: "Bis zum neuen Gesetz ist es ja nicht mehr lang", blickte er schon möglichen Koalitionsverhandlungen entgegen.
Die Diskussion um die Äquidistanz von ORF-Mitarbeitern bekam am Donnerstag eine neue Facette – bei der Präsentation des Wahlprogramms von ÖVP-Chef Sebastian Kurz war am Mittwoch ORF-Co-Kommentatorin Alexandra Meissnitzer aufgetreten. "Ich bin als neutrale Person angefragt worden, deshalb stehe ich hier", hatte sie dort erklärt. Ganz so einfach sieht man das im ORF nicht, der Auftritt sei weder bekannt gewesen noch wäre er genehmigt worden. "Es wird daher ein Gespräch mit Alexandra Meissnitzer geben, in dem diese entsprechend sensibilisiert wird."
Wrabetz sah die Debatten im Stiftungsrat eher gelassen und wertet sie als "ein bisschen rituell". Für den ORF zähle die im Gesetz vorgeschriebene "Objektivität", und dass die bei den "Sommergesprächen" verletzt worden wäre, "hat eigentlich niemand behauptet".
Indes sorgte Ex-Vizekanzler Steger für ein kleinen Eklat. Er attackierte Bundesländer-Stiftungsräte, die sich jüngst jenseits aller Couleurs mit der ORF-Spitze getroffen hatten: "Das ist ein Putsch. Das steht in keinem Gesetz." Das wiederum erboste Kärntens Siggi Neuschitzer: "Das ist total daneben. Wenn sich neun Stiftungsräte Gedanken und Sorgen über die Landesstudios machen, und dann ein Wiener Stiftungsrat von ,Putsch‘ spricht, dann weiß ich nicht, ob der noch richtig in dem Gremium ist." Steger plant, dass die Länder in einem auf 12 Personen verkleinerten Stiftungsrat nur mehr einen Sitz haben. "Das ganze Brimborium gehört weg."
