
Für Kunstfreunde hatte der zuletzt jene Bedeutung, die das Album "Chinese Democracy" für Fans der Band Guns’n’Roses besaß: Nach anfänglicher Euphorie über das epochale Projekt hatte man irgendwann aufgehört, die Verschiebungen und Beteuerungen, dass es jetzt aber echt weitergehe, zu zählen.
Nun aber ist das Museum, dessen Bau vor zehn Jahren in einem Abkommen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Frankreich festgeschrieben wurde, aber tatsächlich Realität geworden: Nach einem Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch wird ab morgen, Samstag, auch das "gewöhnliche" Publikum in den Bau mit der lichtdurchfluteten Kuppel eingelassen, den Star-Architekt Jean Nouvel am Ufer des Kulturbezirks Saadiyat Island konzipierte.
Foto: APA/AFP/GIUSEPPE CACACE Doch wer ist eigentlich das Publikum des Wüsten-Kunsttempels? Laut dem Direktor Manuel Rabaté soll das Museum, das Kunstschätze aus prähistorischer Zeit bis zur Gegenwart zur Schau stellt, "das Universalmuseum für ein anspruchsvolles Gegenwartspublikum neu erfinden" und "die Verbundenheit verschiedener Ideologien, Ästhetiken und künstlerischer Techniken" demonstrieren. Mohamed Al Mubarak, Chef der Emirats-eigenen Investmentgesellschaft, sieht das Haus als Schaufenster für das "reiche Erbe" der VAE: "Wir sind eine dynamische und multikulturelle Gesellschaft, in dem Menschen in Harmonie und Toleranz leben", heißt es in der Presseunterlage.
Man muss das Wunschdenken in solcher Rhetorik nicht extra hervorstreichen. Dass die Harmonie und Toleranz nicht die migrantischen Arbeiter erfasste, die unter miserablen Bedingungen auf der Baustelle arbeiten und in Sammellagern hausen mussten, sei aber erwähnt. Mit den Initiativen und Human Rights Watch, die wiederholt die Missstände kritisierten, war das Verhältnis ebenfalls nicht harmonisch. Auch Journalisten blieb während der Bauarbeiten der Zugang zur Saadiyat-Insel versperrt.
Das "Erbe", das das Museum nun in einer betont universalistischen Abfolge von 12 Kapiteln angeordnet hat, trägt seinerseits eine klar französische Handschrift: Laut Abkommen der beiden Staaten hat der Louvre Abu Dhabi für 10 Jahre Zugriff auf Leihgaben aus 13 französischen Museen. Diese Institutionen dürfen wiederum 15 Jahre lang Ausstellungen im Golfstaat ausrichten.
Vincent Van Goghs Selbstporträt aus dem Musée de l’ Orangerie, Leonardo da Vincis Damenbildnis "La Belle Ferronière" aus dem Louvre und Jacques-Louis Davids Monumentalgemälde "Napoleon überquert die Alpen" aus Schloss Versailles gehören zu den Highlights der Auftakt-Präsentation. Arabische Museen liehen dazu historische Kulturschätze. Die eigene Sammlung des Museums, die seit der Gründung zusammengetragen wurde, umfasst derzeit rund 600 Objekte aller Epochen, die Hälfte davon ist nun ausgestellt. Die Identität des Museums bleibt damit vorerst unklar definiert.
Foto: APA/AFP/GIUSEPPE CACACE Die Befürchtungen, die VAE würde auf der Suche nach Museums-Material den Kunstmarkt leerkaufen und Preise in unermessliche Höhen treiben, hat sich nicht bewahrheitet: Rekordpreise zahlte eher die Herrscherfamilie des Emirats Katar. Zu diesem pflegt Abu Dhabi seit einiger Zeit ein feindseliges Verhältnis – die Vorstellung, dass sich die VAE als aufklärerischer Leitstern über regionale Konflikte erheben können, entspricht nicht ganz der Realität. Doch bekanntlich bietet die Kunst immer wieder Platz für Visionen und eröffnet neue Wege.
