Weltweit leben 32 Millionen blinde Menschen. Bei zwei bis vier Millionen unter ihnen ist die Erblindung dem Verlust lichtsensibler Zellen auf der Netzhaut geschuldet. Für sie gibt es nun neue Hoffnung. Am besten lässt sich diese Art der Blindheit mit Netzhaut-Implantaten behandeln, deren Oberflächen mit Elektronen besetzt sind. Forscher der ETH Lausanne (EPFL) haben jetzt ein neuartiges Netzhaut-Implantat entwickelt, das mit einem Computer zusammenarbeit.
Die Neuroprothese soll Blinden einen Teil ihres Augenlichts zurückgeben. "Mit den aktuellen Implantaten lassen die Resultate aber noch zu wünschen übrig", wurde Diego Ghezzi in einer Mitteilung der EPFL zitiert. Die Träger gelten immer noch als blind, so Ghezzi, der den Lehrstuhl für Neuroengineering (NLE) innehat. Denn herkömmliche Implantate erreichen bloß ein Sehfeld von 20 Grad. Um ein normales Leben zu führen, müssten die Betroffenen ein Sehfeld von mindestens 40 Grad zurückerhalten.
In der Fachzeitschrift "Nature Communications" stellen die Wissenschafter nun ein neuartiges, , das aus hochbiegsamem Material mit photovoltaischen Pixeln besteht. Es soll Trägerinnen und Trägern ein Sehfeld von 46 Grad wiedergeben.
Bei herkömmlichen Implantaten werden die Elektroden direkt auf die Netzhaut aufgebracht. Diese sind über Kabel mit einer Kamera, einer Brille und einem tragbaren Computer verbunden. Die Kamera macht Bilder vom Blickfeld ihres Trägers und übermittelt diese an den Computer.
Dieser wiederum wandelt die Lichtmuster in elektronische Signale um, die an die Elektronen weitergegeben werden. So werden die Netzhautzellen stimuliert - aber der Träger muss erst lernen, die visuellen Reize zu interpretieren, um die Bilder "sehen" zu können.
Dank der photovoltaischen Pixel ist das neu entwickelte Implantat drahtlos. Die Pixel werden solarbetrieben und generieren selbst elektrischen Strom. Das von der Kamera aufgefangene Licht muss auch nicht mehr in elektrische Signale umgewandelt, sondern nur noch verstärkt werden.
Die Neuentwicklung hat zudem eine größere Oberfläche als herkömmliche Implantate, wodurch mehr Netzhautzellen stimuliert werden. So vergrößert sich das Sehfeld. Da sich auf dem Implantat auch mehr Pixel befinden, "sehen" Trägerinnen und Träger schärfer.
Vorteile, die durch das biegsame Material erst möglich wurden. Denn beim Einsetzen des Implantats muss der Schnitt so klein wie möglich gehalten werden, um kein Gewebe zu verletzten. Kann dieses gefaltet werden, können größere Neuroprothesen implantiert werden.
In den ersten Versuchen hat sich der Prototyp als funktionstüchtig und nicht-giftig erwiesen. Nun wollen die Wissenschafter das Implantat an Menschen testen. "Es wird interessant sein zu beobachten, wie gut sich Menschen an diese Art zu sehen anpassen", sagte LNE-Forscherin Laura Ferlauto.