Zwei Tage lang wird ab heute auf Einladung von Medienminister Gernot Blümel im Wiener Museumsquartier über die Zukunft der heimischen Medien-Politik diskutiert. Dafür hat Blümel prominente Medienmanager aus dem Ausland geholt: Eröffnet wird die Enquete heute von Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner (Bild, Welt) und von Turner-International-Chef Gerhard Zeiler (CNN).
Danach diskutiert defacto die gesamte österreichische Medien-Branche miteinander. Themen sind unter anderem „Wettbewerb und neue Allianzen“, „Public Value“, „Förderung und Finanzierung“ oder „Digitalisierung und Demokratie“.
Debatte um ORF-Gebühren in Höhe von 635 Millionen
Ein großer Themenkomplex betrifft dabei die ORF-Reform - und die kaum vorhandene Förderung privater Medien in Österreich. 635 Millionen Euro kassiert der ORF derzeit aus Gebühren – das ist fast 50 Mal so viel, wie die Förderungen für alle privaten TageszeitunTV- und Radio-Stationen zusammen.
Das ÖSTERREICH-Manifest zum Medien-Standort
Heute und morgen findet in Österreich eine große Medien-Enquete der Regierung statt. Analysiert wird ein besonders tragischer Todesfall: Die heimische Medienpolitik. Der Zustand der Medienpolitik in diesem Land spottet jeder Beschreibung:
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Wir haben ein Privatradiogesetz, das auf Intervention des ORF so trickreich verfasst wurde, dass es die Zulassung österreichweiter Privatradios seit seiner Existenz – somit seit 15 Jahren – mathematisch unmöglich macht. Deshalb gibt es nur das Staats-Monopol Ö3.
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Wir haben eine Presseförderung, die nur einen Zweck hat: Todkranken Parteiblättern – wie dem Linzer Volksblatt – jahrelange, millionenschwere Sterbehilfe zu leisten.
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Wir haben mit dem ORF die höchste Zwangsgebühr Europas – 635 Millionen (den doppelten Umsatz der Kronen-Zeitung) zahlen 2 Millionen Haushalte zwangsweise, damit ihnen der ORF via ORF 1 und Ö3 das liefert, was sie von jedem Privaten gratis bekommen: Serien, Filme, Sport, Popmusik, Werbung.
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Gleichzeitig erhalten ALLE Privat-TV- und Privatradio-Sender gemeinsam (!) sage und schreibe 13 Millionen Euro Förderung pro Jahr. Bei weit über 30 Sendern bekommen die größten wie PULS 4 oder SERVUS nur knapp 1 Million (ein Sechshundertstel des ORF), die kleineren oft nicht einmal 100.000 Euro. Und weil die Zahl der Sender heuer stark gestiegen ist (durch
oe24.TV, Schau TV, etc.) bekommt jeder Privat-Sender heuer deutlich weniger als im Vorjahr. Deshalb ist auch kein einziger Privatsender auch nur annähernd mit dem ORF konkurrenzfähig – der ORF hat auf Jahre hinaus alle Sportrechte aufgekauft, sich Exklusiv-Verträge für alle großen Events (von Opernball bis Lifeball) gekapert, zum Drüberstreuen auch noch die wichtigsten Film- und Serienrechte aus den USA erworben.
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Völlig den Anschluss verloren hat Österreich mittlerweile am digitalen Sektor. Es gibt keinerlei Förderung für Online-Portale. Der ORF (der einzige Staatssender Europas, der online unbeschränkt Werbung kassieren darf), Facebook und Google saugen mehr als 75 % des gesamten Werbevolumens ab. Für Private bleibt kein Platz zum Leben.
Als Höhepunkt unserer Medien-Finanzierung kassiert die österreichische Regierung als einzige in der EU bei allen Print-, TV- und Radio-Medien im Land 5 % aller Werbeeinnahmen als „Schutzgeld“. Ein heimischer Privatsender zahlt also an die Regierung bis zu 3 Millionen Euro Werbesteuer, bekommt jedoch maximal nur 1 Mio. Förderung zurück und wird von der Regierung sogar in der Anzahl seiner Werbesekunden beschränkt.
In dieser absolut katastrophalen Situation hat nun der Medienminister die Idee gehabt, eine „Medien-Enquete“ zu veranstalten.
Über 100 der klügsten Köpfe der Medienszene werden kreuz und quer ihre Gedanken zur Medienzukunft präsentieren. Herauskommen wird ein heilloses Chaos an Hunderten – gegensätzlichen – Ideen, bei dem sich keiner mehr auskennen wird.
Jetzt muss endlich Medien-Reform her
Dabei wäre es jederzeit machbar, den Medienstandort Österreich endlich auf die Überholspur zu bringen – die Regierung müsste nur bei Medien jenen Mut zu Reformen aufbringen, den sie bei Flüchtlingen so offensiv zeigt. Sie sollte endlich AKTIV werden:
Absurde Privatradio-Hürden streichen
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Wenn man beim Privatradiogesetz die absurden mathematischen Hürden streicht, würden sofort drei bis vier neue nationale Radiosender entstehen: ö24, Energy, 88,6, Welle 1, Arabella, vielleicht auch ein Antenne-Verbund. Warum darf das nicht sein?
Werbeabgabe für Förderung nützen
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Österreichische Medien zahlen derzeit mehr als 100 Millionen Euro durch die Werbeabgabe an den Staat. Davon zahlt der ORF rund 15 Millionen Euro, erhält im Gegenzug aber 635 Millionen Euro Gebühr. Die Privaten zahlen hingegen rund 85 Mio. Euro Werbeabgabe und erhalten dafür nur rund 25 Mio. an Förderungen, also nur ein Viertel des eingezahlten Betrags.
Unsere Forderung: Es muss endlich eine Zweckwidmung der Werbeabgabe für Förderungen für private Medien geben. Das wären mehr als 100 Millionen Euro im Jahr, mit denen sich die Medien sozusagen selbst fördern.
Ein Drittel der ORF-Gebühr für Private
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Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass die GIS-Gebühren nur noch an den öffentlich-rechtlichen ORF fließen, in Zeiten, wo ein Großteil der Österreicher auf ihren TV-Geräten private Sender konsumieren. Der neue ORF-Stiftungsrats-Vorsitzende Norbert Steger hat kürzlich auf oe24-TV den bemerkenswerten Satz gesagt, der ORF könnte mit 50 % - also der Hälfte (!) – seiner Gebühren auskommen, wenn er sich auf öffentlich-rechtliche Inhalte und österreichische Angebote konzentrieren würde.
Unsere Forderung: Ein Drittel der ORF-Gebühr soll künftig für die Förderung digitaler Medien (Online, TV und Radio) verwendet werden. Demnach könnten rund 100 Millionen Euro als Digital-Förderung für digitalen Journalismus an digitale News-Portale fließen. Als Schlüssel für die Förderung sollte hierfür 1 Euro pro Unique Client angewendet werden.
100 Millionen Euro sollten für TV-, Radio und Bewegtbild-Förderung verwendet werden, wenn diese mehr als 50% österreichischen Content produzieren.
Online-Werbeverbot für den ORF
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Der ORF zieht mit der Vermarktung von Online-Werbung derzeit 16 Millionen Euro Werbegeld vom Online-Display-Markt ab. Rechnet man Google, YouTube, Facebook und internationale Vermarkter hinaus, fließt fast jeder zweite Euro Online-Werbegeld, der an österreichischeMedien geht, an den ORF. Das heißt: Der ORF saugt fast dieHälfte des in Österreich verbliebenen Online-Werbegeldes ab.
Unsere Forderung: Es braucht ein Online-Werbeverbot für den ORF. Die Vermarktung von Online-Display-Werbung kann nicht das Geschäftsmodell des ORF sein.
ORF muss Archiv für Private öffnen
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Der ORF bunkert in seinem Archiv tausende News-Beiträge, Serien, Dokumentation und Filmschätze. Diese Inhalte gehören nicht dem ORF, sondern dem österreichschen Steuerzahler, der dafür gezahlt hat.
Unsere Forderung: Der ORF muss dieses Archiv für ALLE privaten digitalen Medien öffnen. Warum soll ein privates Start Up nicht auf der Basis (der vom Steuerzahler ausbezahlten) ORF-Serien eine österreichische Konkurrenz zu „Netflix“ versuchen – und damit erfolgreich sein?
Aufhebung des Werbezeiten-Limits
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Völlig absurd: Österreichische TV- und Radiosender erhalten zwar kaum Förderungen, werden aber vom Staat bei ihren Werbezeiten begrenzt. Pro Stunde schreibt der Staat Privatsendern ein 12-minütiges Werbezeiten-Limit vor - wie in einer Planwirtschaft. Wer sich nicht daran hält muss horrende Strafen zahlen.
Unsere Forderung: Jeder private Sender muss und soll in einem freien Markt selbst entscheiden, wie viel Werbung er verkauft und seinen Sehern und Hörern zumutet.
Digitale Offensive muss endlich her
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Am wichtigsten und schwierigsten wird es sein, Österreich vom letzten Platz in die Champions League der digitalen Entwicklung zu bringen. Großzügige Digital-Förderungen, Öffnung der ORF-Archive und News-Beiträge können nur ein erster Schritt sein. Die Grund-Frage wird: Schafft diese Regierung eine – unbedingt von den Privaten und nicht vom Staats-ORF – dominierte Österreich-Plattform, die mit Google, Facebook, Amazon konkurrieren kann? Kann der ORF im neuen ORF-Gesetz so in Richtung Digitalisierung positioniert werden, dass er die Public Value-Inhalte für diese Plattform liefern kann – dass wir alle die Österreich-Identität ins neue, digitale Zeitalter retten können.
Beschränkung für Facebook & Google
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Dafür wird ein ORF-Gesetz, mehr Förderung, viel Innovation nicht reichen. Dafür wird es mutiger Schritte bedürfen: eine gesetzliche Beschränkung von Google und Facebook, aber auch von Amazon, neue Regeln für Social Media (gegen Hass-Postings) und für Suchmaschinen (bei Urheberrecht und News-Inhalten). Wenn Trump den Handelskrieg ausruft, dann sollte man die digitalen Fehlentwicklungen, die aus den USA zu uns kommen, gleich mitkorrigieren.
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Die gute Nachricht: Die Zukunft beginnt jetzt.
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Die schlechte: Unser Land ist gerade dabei, sie wieder zu verschlafen.