Ein Jugendlicher wurde am Donnerstag in Wien vom Vorwurf freigesprochen, Anfang 2023 ein 12-jähriges Mädchen in einem Parkhaus vergewaltigt zu haben. Auch beim Vorwurf der sexuellen Nötigung gab es einen Freispruch. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Nach der Beweisführung gelangte der Geschworenengerichtshof zu der Erkenntnis, dass es Anfang 2023 zwischen dem Beschuldigten und dem Mädchen tatsächlich zu sexuellen Handlungen gekommen war. Diese waren jedoch "völlig einvernehmlich", wie die leitende Richterin betonte. Es gab keine Anzeichen von Gewalt. Für den jungen Mann war es "nicht ersichtlich", dass das Mädchen nicht einverstanden war.
Staatsanwältin gab nach Freispruch in Vergewaltigungsprozess vorerst keine Erklärung ab
Zur Urteilsfindung benötigte der Senat eine Beratungszeit von nicht einmal zehn Minuten. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Der Fall der mittlerweile 13-Jährigen hatte im Vorjahr für mediales Aufsehen gesorgt. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen über ein Dutzend minderjähriger Burschen und einen 19-Jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 206 StGB), weil sie das Mädchen im Antonspark in Favoriten kennengelernt und sich in weiterer Folge an der Unmündigen vergangen haben sollen.
Der Jugendliche, der sich heute vor einem Schöffensenat zu verantworten hatte, hatte mit dieser Gruppe insofern nichts zu tun, als das Mädchen ihn im Helmut-Zilk-Park angesprochen hatte, als er im dortigen Motorikpark trainierte. Sie habe ihn nach seinem Snapchat gefragt, schilderte der 16-Jährige. Er habe sie dann noch zwei bis drei Mal im Park gesehen, es sei aber nie zu sexuellen Handlungen oder gar Geschlechtsverkehr gekommen. Als ihm ein offenbar unter Jugendlichen kursierendes Video gezeigt wurde, das andere Burschen beim Sex mit der Zwölfjährigen zeigte, habe er sie von seiner Kontaktliste gelöscht: "Es war ein schlechtes Video."
Die Anklage hatte dem Burschen vorgeworfen, mit der Zwölfjährigen in ein Parkhaus gegangen zu sein, wo er sie zunächst küsste. Dann sollen sich die beiden in die letzte Etage begeben haben, wo er das Mädchen aufgefordert haben soll, sich auszuziehen. Dann soll er sie an der Hüfte gepackt, gegen eine Wand gedrückt und mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen haben. Die Zwölfjährige habe sich "aus Angst und mangels Fluchtmöglichkeit" dagegen nicht gewehrt, sagte die Staatsanwältin.
Verteidiger sieht "unglaubliche Vorverurteilung" bei Vergewaltigungsprozess
Das Mädchen war im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch vernommen worden, was ihr einen Auftritt als Zeugin in der Hauptverhandlungen ersparte. Bei dieser Befragung habe sie nie von Gewalt gesprochen, legte Verteidiger Andreas Reichenbach dar. Er beklagte eine "unglaubliche Vorverurteilung" seines Mandanten, der "von allen Seiten als Vergewaltiger beschimpft" worden sei. Der Rechtsvertreter des Mädchens, der sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, habe eine "Opferinszenierung, wie ich sie selten gesehen habe", betrieben. Der Opfer-Vertreter habe "grob fahrlässig" gehandelt, indem die Unmündige als Opfer einer angeblichen Gruppenvergewaltigung stilisiert hätte, was von einigen Medien übernommen wurde. Die Missbrauchsvorwürfe seien "teilweise an den Haaren herbeigezogen", hielt Reichenbach fest. Das Mädchen hätte mit rund 30 Burschen sexuelle Kontakte gehabt, als ihr damaliger Freund davon und vom Umstand, dass davon teilweise Videomaterial existierte, erfuhr, sei Anzeige gegen einen Teil der Jugendlichen erstattet worden. "Sie hat aus Scham gesagt, es war doch nicht freiwillig", führte Reichenbach aus.
Vergewaltigungsprozess: Verteidiger von 16-Jährigem legte Chats vor
Der Verteidiger legte Chats vor, die seinen Mandanten in seinen Augen entlasten. Am 19. Mai 2023 hatte der Bursch dem Mädchen eine Nachricht geschrieben, wonach "jeder sagt, dass du sagst, dass..." er sinngemäß mit ihr Sex gehabt habe. Darauf erhielt er folgende Antwort: "Ich hab nicht. Wer sagt. Na." Der Angeklagte - ein Syrer, der in Österreich die Volksschule, anschließend vier Klassen einer Mittelschule absolviert hat und nun eine Höhere Schule für Wirtschaft besucht - hatte in der Verhandlung den Sex in Abrede gestellt: "Sie muss mich verwechseln." Er stellte auch in Abrede, Ende April über Instagram von der Zwölfjährigen Oralsex verlangt und im Gegenzug in Aussicht gestellt zu haben, Videos zu löschen, die sie bei sexuellen Handlungen zeigten. Jemand anderer habe seinen Instagram-Account benutzt. Im Übrigen habe er gar keine Videos mit der Zwölfjährigen besessen.
Bevor das Video mit der kontradiktorischen Befragung des Mädchens abgespielt wurde, wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Fotografen und Kameraleute waren in dem Bereich des Gerichtsgebäudes, in dem die Verhandlung stattfand, nicht zugelassen - aus Opferschutzgründen, aber auch zwecks Wahrung der Interessen des Angeklagten, der als Jugendlicher ein Recht auf eine nicht identifizierende Berichterstattung hat. Dessen ungeachtet hatte ein Blatt den Jugendlichen, der aufgrund seiner auffälligen Haare wohl auch verpixelt für sein Umfeld erkennbar sein dürfte, fotografiert.