Die Stadt Wien hat zuletzt keine Anträge mehr auf Abriss eines älteren Gebäudes genehmigt. Grundlage für den strikten Kurs ist die jüngste Novelle der Bauordnung, wodurch der Schutz historischer Häuser deutlich verstärkt wurde. Im Fokus stand dabei etwa die sogenannte "wirtschaftliche Abbruchreife", die früher so manchen Abbruch ermöglichte.
Wenn eine Sanierung wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist, dürfen Objekte unter bestimmten Voraussetzungen demoliert werden - oft zum Ärger von Anrainern und Bürgerinitiativen. Immer wieder gab es Aufregung oder Proteste, wenn prägnante Gebäude plötzlich aus dem Stadtbild verschwanden und an ihrer Stelle Neubauten errichtet wurden.
Schutz von stadtbildprägenden Gebäuden in Wien
Bei so manchen Projekten wurde auch gemunkelt, dass der schlechte Zustand des Altbaus durchaus vorsätzlich herbeigeführt wurde. Letztendlich wurde der Ruf nach einer schärferen Gangart immer lauter. Diese wurde dann in einem ersten Schritt 2018 in eine Verordnung gegossen.
Der Erhalt von stadtbildprägenden Gebäuden der Gründerzeit und der Zwischenkriegszeit sollte damit gestärkt werden. Ein Abbruch von Immobilien, die vor 1945 errichtet wurden oder in Schutzzonen stehen, ist seither nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. So muss etwa geprüft werden, ob ein öffentliches Interesse am Erhalt des Gebäudes besteht. Wenn ein Erhalt wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ist der Abriss aber zuzulassen.
19 Ansuchen auf Abbruchbewilligung: 0 bewilligt
Das hat laut Stadt verfassungsrechtliche Gründe - was sich auch nicht geändert hat, wie man im Büro von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) betont. Die Ende 2023 in Kraft getretenen, rückwirkend ab 1. Juli 2023 geltenden neuen Bauordnungsvorschriften erschweren die Sache jedoch massiv. Was sich auch an den Zahlen zeigt: Laut den der APA vorliegenden Daten wurden seither 19 Ansuchen auf Abbruchbewilligung gestellt. Kein einziges davon wurde jedoch genehmigt.
Denn inzwischen lässt die Behörde selbst den Zustand mittels externer Sachverständiger überprüfen. Wird nachgewiesen, dass schuldhaftes Verhalten bei den Erhaltungspflichten vorliegt, wird dies berücksichtigt. Was konkret bedeutet: Schäden an einem Gebäude, die durch Vernachlässigung entstanden sind, können nicht mehr zur Berechnung der wirtschaftlichen Abbruchreife herangezogen werden.
Damit werde die Strategie des Verfallenlassens von Gebäuden durchkreuzt, zeigt man sich überzeugt. Berücksichtigt werden hingegen mögliche Erträge durch Aufkategorisierungen des Hauses. Auch lukrierbare Fördersummen zur Sanierung fließen in die Berechnung mit ein. Damit soll es zunehmend unwahrscheinlicher gemacht werden, dass eine Renovierung rein rechnerisch nicht mehr zumutbar ist.
"Wer A sagt, muss auch B sagen"
Konkret sind von den 19 Ansuchen, die seither eingebracht wurden, acht negativ entschieden worden. Zwei wurden zurückgezogen und neun sind noch in Bearbeitung. Zuvor waren im Durchschnitt etwa 30 Ansuchen pro Jahr eingelangt. Davon mussten laut Büro Gaal mehr als die Hälfte wegen wirtschaftlicher Abbruchreife bewilligt werden.
"Mit der Bauordnungsnovelle ist ein wirklich großer Wurf gelungen, der langsam seine Auswirkungen zeigt", zeigte sich die Stadträtin in einer Stellungnahme zufrieden. Das einzigartige Erscheinungsbild Wiens werde dadurch besser geschützt. "Doch wer A sagt, muss auch B sagen. Nicht zuletzt durch die Ausweitung der Förderungen für Gebäudesanierungen machen wir Sanierungen und Dekarbonisierungen von Altbauten auch leichter finanzierbar", hob Gaal hervor.
Damit man über die akute Situation der Gründerzeithäuser informiert bleibe, baue man auch die Gebäude-Screenings in den Grätzeln aus, erläuterte sie. Gemeinsame Teams der Baupolizei und der Gruppe Sofortmaßnahmen sind dabei in inzwischen neun Bezirken unterwegs. 4.000 Häuser wurden bereits kontrolliert. Dabei kam es zu 740 Beanstandungen auf Grund von baulichen oder feuerpolizeilichen Mängeln sowie sanitären Missständen.