Angesichts der steigenden Corona-Abwasserwerte empfiehlt der Molekularbiologe Ulrich Elling, die Booster-Impfungen nicht aufzuschieben.
Der Molekularbiologe Ulrich Elling empfiehlt angesichts der in den letzten Wochen deutlich gestiegenen Corona-Abwasserwerte, mit den Booster-Impfungen nicht bis in den Winter hinein zu warten. Denn der Anstieg sei ein bis zwei Monate früher erfolgt als im Sommer 2023, sagte er im APA-Interview. Damit könnte eine zu erwartende steile Zunahme der Fälle (wie sie im Vorjahr im Spätherbst und vor allem im November/Dezember erfolgte) schon früher eintreten.
Anstieg bei Corona-Abwasserwerten heuer früher als 2023
2023 verzeichnete man erst ab ca. August einen zunächst langsamen Anstieg der Abwasserdaten auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Heuer stiegen die nach der extrem hohen Winterwelle und einem sehr ruhigen Frühjahr bereits im Juni und nun Juli deutlich an. Auch liegen die Fallzahlen derzeit bereits auf deutlich höherem Niveau als im August des Vorjahres, wie der zuletzt am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätige Genetiker erinnerte.
"Wenn man das jetzt schon sieht, dass da so ein Potenzial ist (für neue Infektionen, Anm.), muss man davon ausgehen, dass die Welle (bzw. der weitere Anstieg dieser, Anm.) früher kommt als im letzten Jahr." Daher müsse man beim Impfen auch früh ansetzen: "Da die Impfung ein paar Wochen braucht, bis sie wirkt, geht sich das meines Erachtens nicht aus, gemeinsam mit der Grippe zu impfen", so Elling mit Blick darauf, dass die Grippesaison deutlich später beginnt.
Experte rät zu früher Corona-Impfung
Auch verwies er darauf, dass es in Österreich im letzten Jahr eine sehr schlechte Durchimpfungsrate gab. Leider sehe er keine Anzeichen dazu, dass die Politik Bestrebungen setzt, dem entgegenzuwirken. Auch mit Blick auf die Nationalratswahl im Herbst sei davon auszugehen, dass kaum jemand das Thema Impfen in die Hand nehmen werde, so Ellings Befürchtung.
"Man müsste das schon jetzt aufgesetzt haben", sieht der Molekularbiologe die Notwendigkeit für eine Impf-Kampagne. Auch habe die Versorgung mit im niedergelassenen Bereich schlecht funktioniert. Österreich habe dieses Jahr über eine Million Impfdosen bestellt und empfehle die Impfung allen ab einem Alter von zwölf Jahren, besonders der Altersgruppe über 60. Dies bedürfe einer entsprechenden Logistik in der Kommunikation und Verabreichung. Man müsste sich daher auch überlegen, wie man das dieses Jahr besser organisiert. Seitens des Gesundheitsministeriums hieß es zuletzt auf APA-Anfrage, dass die Impfungen wie zuletzt im niedergelassenen Bereich (bei den Ärzten) erfolgen sollen.
Mehrere Gründe für Anstieg bei Corona-Fällen
Die Gründe für die nun früh erfolgte Zunahme der Covid-Fallzahlen sieht Elling einerseits darin begründet, dass die Immunität der Bevölkerung nachgelassen hat - einerseits wegen der geringen Impfrate, aber auch aufgrund der Tatsache, dass der Höhepunkt der letzten Welle (Dezember 2023) nun bereits mehr als sechs Monate zurückliegt. 2023 hingegen gab es auch eine Frühjahrswelle, und die Immunität der Bevölkerung ließ entsprechend später nach. Es habe sich schon sehr viel "Brennstoff" angesammelt, im Sinne dessen, dass Immunität abgebaut wurde, so Elling. Es scheine sich ein "hohes Infektionspotenzial" angesammelt zu haben, sagte er.
Der Experte verwies aber auch auf die neuen Varianten, die gegenüber der im Winter vorherrschenden XBB- und JN.1-Varianten einen Wachstumsvorteil haben. Nach den sogenannten "FLiRT"-Varianten (KP.1.1, KP.2) setzt sich international und auch in Österreich aktuell die JN.1-Tochtervariante KP.3 (und deren Tochtervarianten) durch (sogenannte "FLuQE"-Varianten, die gegenüber "FLiRT" noch einmal einen Wachstumsvorteil aufweisen). Möglicherweise könnte es nun bereits im Spätsommer zu einem hohen Plateau an Infektionen kommen und damit dann keine so hohe Spitze der Winterwelle entstehen wie letzten Dezember, so Elling - dies sei aber hochspekulativ und unsicher.
Impfstoffe gegen Corona-Variante JN.1 ab Juli verfügbar
Der Impfstoff, der vom Gesundheitsministerium bestellt wurde, ist vorerst ausschließlich jener des Herstellers Biontech-Pfizer (Comirnaty Omicron JN.1), der auf die JN.1-Variante abgestimmt ist. Das Ministerium erklärte dazu in seiner neuen Impfempfehlung: "Ab Sommer 2024 werden Variantenimpfstoffe gegen JN.1 verfügbar sein. Die derzeit neu zirkulierende Variante KP.2 ist aus immunologischer Sicht der JN.1-Variante sehr ähnlich und es ist daher davon auszugehen, dass der angepasste Impfstoff eine schützende Antwort für beide Varianten hervorruft." Der Impfplan ist unter https://go.apa.at/ycFLkR5w abrufbar. Am Freitag hatte das Ministerium bekannt gegeben, dass die erste Lieferung der Corona-Impfstoffe für JN.1-Varianten bereits in Österreich angekommen ist (rund 92.000 Dosen). Sie können bereits im Laufe der kommenden Woche von Impfstellen bestellt und verimpft werden.
Die US-amerikanische Behörde FDA hat mittlerweile allerdings an die Hersteller den Rat gegeben, sie sollten - wenn möglich - die Impfstoffe auf den KP.2-Virenstamm anpassen. Ob ein solcher angepasster Impfstoff in Europa oder Österreich erhältlich sein wird, ist aktuell nicht abzuschätzen. Auch wurde bisher neben dem mRNA-Impfstoff von Biontech seitens Österreich kein weiterer bestellt. Offen ist auch, ob es einen Impfstoff des proteinbasierten Vakzins des Herstellers Novavax in Österreich geben wird. Im Gesundheitsministerium verwies man auf APA-Anfrage diesbezüglich darauf, dass diese Fragen auch von der Impfstoff-Zulassung durch die Europäische Arzneimittel Agentur (EMA) abhängen. Die EMA hat erst am Freitag erklärt, dass sie an ihrer Empfehlung vom April, die Impfstoffe auf die JN.1-Variante auszurichten, festhält.