Zum 120. Jahrestag des Ablebens von Theodor Herzl fand am Mittwochmorgen eine Zeremonie am Ehrengrab des Gründers des politischen Zionismus auf dem Döblinger Friedhof statt.
Der Botschafter Israels, David Roet, äußerte beim Gedenken an Theodor Herzl in einer Ansprache seine Besorgnis über heutige antizionistische Strömungen. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hob hervor, dass der Kampf gegen den Antisemitismus eine gemeinschaftliche Verantwortung darstelle.
Bürgermeister Ludwig und Botschafter Roet bei Gedenken an Theodor Herzl
Ludwig strich hervor, "dass wir in Wien eine andere Stimmung pflegen wollen zwischen den Menschen, als das vielleicht in anderen Metropolen, in anderen Großstädten der Fall ist". Dies sei eine "große gemeinsame Aufgabe". Wenn es etwa rassistische und antisemitische Graffitis an Wohnhausanlagen gebe, wo Jüdinnen und Juden leben, sehe er es als Aufgabe der Stadt Wien, diese möglichst schnell aus dem Stadtbild zu entfernen.
Herzls Vision eines jüdischen Staates sei heute so "lebendig und relevant" wie vor 120 Jahren, ergänzte Botschafter Roet. Dem österreich-ungarischen Publizisten schwebte ein moderner, säkularer und mehrsprachiger Staat vor, der Vorbildwirkung für den Rest der Welt haben sollte. Diese Vision Herzls werde "missinterpretiert". Kritik an Israel führe dazu, dass Juden attackiert werden. Kritik an Israel sei "legitim", betonte Roet, nicht aber Israel zu hinterfragen oder Zionismus zu bekämpfen.
Wiens Bürgermeister Ludwig: Das Existenzrecht Israels muss von uns geschützt werden
Das bestätigte auch Ludwig. "Es ist ein Unterschied, ob man politische Entscheidungen einer Regierung kritisiert, oder ob man ein Land und seine Menschen kritisiert und ihnen das Existenzrecht abspricht", sagte der Bürgermeister. In Österreich sei "in allen Gebietskörperschaften unwidersprochen, dass das Existenzrecht Israels von uns geschützt werden muss". Ludwig verwies auch darauf, dass in Wien eine Wohnhausanlage, eine Stiege und ein Platz nach Herzl benannt wurden und es viele Gedenktafeln gebe.
Herzl hatte mit seinem Buch "Der Judenstaat" 1896 den geistigen Grundstein für die Errichtung einer sicheren Heimstätte für die verfolgten Juden Europas gelegt. Ohne Herzl gäbe es kein Israel, hatte Israels Premier Benjamin Netanyahu 2010 gesagt. Herzl habe nämlich nicht nur frühzeitig die Gefahr einer Auslöschung der Juden gesehen, sondern dann vor allem auch die "revolutionäre Lösung" entwickelt, einen souveränen jüdischen Staat "wieder zu gründen". Israel wurde am 14. Mai 1948 gegründet.
Theodor Herzl verfasste in Wien sein Buch "Der Judenstaat"
Theodor Herzl wurde am 2. Mai 1860 in Pest in Ungarn geboren. Er studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften und war Mitglied der Burschenschaft Albia, die er aber nach antisemitischen Äußerungen von Kommilitonen verließ. Nach seiner Promotion im Jahr 1894 wirkte er als freier Schriftsteller. Seine Anfangserfolge auf dem literarischen Sektor waren aber bescheiden. Einzig sein Theaterstück "Tabarin" wurde in New York aufgeführt. Herzl schrieb für die "Neue Freie Presse" kurzweilige Plaudereien. Ab 1891 war er als "Presse"-Korrespondent in Paris tätig. Der Justizskandal um den wegen Spionage unschuldig zu lebenslanger Haft und Verbannung auf die Teufelsinsel verurteilten jüdischen Offizier Alfred Dreyfus war ein Schlüsselerlebnis für Herzl. Die antisemitischen Tiraden gegen Dreyfus ließen in Herzl die Idee einer Emigration aller Juden in einen eigenen Staat reifen, die er nach seiner Rückkehr nach Wien in dem Buch "Der Judenstaat" darlegte.
Im August 1897 veranstaltete Herzl in Basel den ersten Zionistischen Weltkongress, bei dem erstmals konkret Palästina als "Heimstätte" für die Juden genannt wird. Herzl war glücklich: "In Basel habe ich den Judenstaat gegründet." Zwei Jahre später gründete er den "Jewish Colonial Trust" zum Ankauf von Land in Palästina. 1902 entwarf Herzl in seinem utopischen Roman "Altneuland" eine politisch-soziale Ordnung des jüdischen Staates, die von Fortschrittsoptimismus und Skepsis gegenüber der Demokratie geprägt ist.
Als Präsident der Zionistischen Weltorganisation (WZO) versuchte Herzl die Großmächte jener Zeit für die Idee eines eigenen Judenstaates zu gewinnen. Auch Herzls Gespräche mit Kaiser Wilhelm II., dem türkischen Sultan Abdülhamit II. oder Papst Pius X. brachten keine greifbaren Ergebnisse. Herzl, der auch eine Palästina-Reise unternommen hatte, starb am 3. Juli 1904 44-jährig an einem Herzleiden in Edlach an der Rax und hinterließ drei Kinder. Er wurde am Döblinger Friedhof begraben. Ein Jahr nachdem sein Traum mit der Gründung des Staates Israel Wirklichkeit geworden war, wurde Herzls Leichnam 1949 von Wien nach Jerusalem überführt. Dort wurde er am Herzlberg beigesetzt.