Seit 60 Jahren hat das Planetarium im Wiener Prater seine Pforten geöffnet.
Es gibt vermutlich kaum jemanden, der in den vergangenen Jahrzehnten seine Kindheit in Wien verbracht hat und nicht einmal unter der Kuppel des Wiener Planetariums in Richtung Sterne geblickt hat. Seit 60 Jahren hat die Institution im Wiener Prater ihre Pforten geöffnet. Der künstliche Himmel spielt mittlerweile alle Stückerln, auch weil das System vor wenigen Jahren mit modernen, digitalen Beamern nachgerüstet wurde, wie es im Vorfeld des Jubiläums gegenüber der APA hieß.
Wiener Planetarium wird 60
Mehr als ein Dutzend einzelne Shows gibt es zur Zeit im am 20. Juni 1964 eröffneten Rondo zu sehen. Diese werden durchwegs live moderiert, wie Hannes Richter, Astrophysiker und Programmdirektor des Planetariums erklärte. Bis neue Mitarbeiter mit allen Formaten einigermaßen vertraut sind, könne es bis zu einem Jahr dauern. Das verwundert nicht, wenn man sich das üppige Kontrollpult ansieht, von dem aus die Programme bestritten werden. Neben dem normalen Ablauf gilt es auch noch, auf Fragen des oft recht jungen Publikums astronomisch korrekt und trotzdem allgemein verständlich zu antworten.
Als Teil der Wiener Volkshochschulen (VHS) nehme man neben der Wissens- und Wissenschaftsvermittlung in den zum größten Teil selbst gestalteten Shows auch auf die Inhalte der schulischen Lehrpläne Bezug, erklärte Richter, der seit knapp 20 Jahren im Planetarium tätig ist. Rund 1,5 Millionen Besucher zählte man seit Beginn der systematischen Besuchererfassung im Jahr 1992 in der markanten Kuppel in unmittelbarer Nähe zum Riesenrad. 2023 waren es laut VHS-Angaben mehr als 100.000 Gäste, alleine 1.700 Besucher kamen zuletzt im Rahmen der "Langen Nacht der Forschung" Ende Mai.
Darstellungen entsprechen aktuellstem Stand der Wissenschaft
Blickt man in Richtung der neuen Konkurrenz, auch auf Social Media-Plattformen, wo mittlerweile viele Akteure die strahlkräftigen astronomischen Themen aufbereiten, dann sei das altehrwürdige Planetarium in der Gunst der Interessenten "gut dabei", ist sich Richter sicher. Im Gegensatz zu vielen anderen Angeboten könne man auch garantieren, dass die Darstellungen dem aktuellsten Stand der Wissenschaft entsprechen.
Die Fragen der Besucher hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten erstaunlich wenig verändert, meint der Astrophysiker, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Technik, um diese darzustellen hingegen schon. Allerdings: Als Herzstück der Anlage fungiert immer noch die "Sternenmachmaschine". Seit dem Jahr 2002 ist der Zeiss Sternenprojektor mit der Bezeichnung "Universarium M IX" im Einsatz. Eröffnet wurde 1964 unter der Leitung des "Sternenboten", Hermann Mucke, mit einem anderen System der gleichen Firma, das damals auf der Höhe seiner Zeit war. Der 2019 verstorbene legendäre Astronom und Volksbildner stand dem Planetarium bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 vor: "Er war natürlich die Institution schlechthin hier", so Richter.
Seit der Version "IX" gab es bei den klassischen, optomechanischen Systemen keinen nennenswerten Fortschritt mehr. Die neuen Sternenmacher sind digital. Im Wiener Planetarium bedient man sich seit dem Jahr 2018, als das "Fulldome"-Projektionssystem installiert wurde, beider Herangehensweisen und kombiniert diese. Damit sei man auf Augenhöhe mit anderen großen Planetarien etwa in Berlin oder New York.
Lebendiges Geschichtenerzählen mit dem "genialen Sternenhimmel"
Das ermögliche auch ein deutlich lebendigeres Geschichtenerzählen durch die Kombination mit dem analogen, "genialen Sternenhimmel". Tatsächlich kann der geübte Handhaber in der Kuppel mit nur wenigen Klicks und Eingaben von einer mehr oder weniger Gesamtansicht des heute bekannten Universums beispielsweise punktgenau zur Perspektive eines der Jupitermonde auf seinen Mutterplaneten wechseln, wenn das die Dramaturgie der Vorstellung oder eine Publikumsfrage erfordert. Zeitsprünge in den Konstellationen sind ebenso möglich wie die Darstellung Tausender Satellitenbahnen rund um die Erde, die Bewegungen der ISS im Orbit oder der heutige Aufenthaltsort der in den 1970er-Jahren gestarteten "Voyager"-Sonden. Das System ermögliche auch das rasche Einbinden neuer Entwicklungen am Sternenhimmel - wie etwa die Entstehung der zuletzt auch in Österreich sichtbaren Polarlichter - in die Vermittlungsarbeit.
Momentan arbeitet das Team an einer Show zum Thema "Klimawandel" aus astronomischer Perspektive, erklärte Richter. So lässt sich im Wiener Prater etwa die Weiterentwicklung unserer Sonne und deren Einfluss auf die Erde gut darstellen oder zeigen, wie weite Teile Europas einst unter riesigen Eiskappen begraben lagen. Für den Direktor des Planetarium, Michael Feuchtinger, weckt der Indoor-Sternenhimmel jedenfalls "nicht nur das Interesse an Astronomie, sondern macht Lust auf mehr wissenschaftliche Forschung und Auseinandersetzung".