Eine Studie von deutschen und österreichischen Forschern, veröffentlicht in "Nature Geoscience", zeigt, dass die durch den Klimawandel verursachten Temperaturanstiege nicht nur die Ozeane erwärmen, sondern auch Böden und Grundwasser. Bis 2100 könnten dadurch Hunderte Millionen Menschen in Regionen leben, deren Grundwasser zu warm für Trinkwasserqualität ist.
Der überwiegende Anteil des Süßwasservorkommens der Erde (über zwei Drittel) findet sich in den Polargebieten und Hochgebirgsregionen als Eis. Das Grundwasser, welches etwa 30 Prozent ausmacht, spielt eine zentrale Rolle für das Leben auf der Erde. Der Klimawandel beeinflusst jedoch auch das unter der Erdoberfläche befindliche Wasser erheblich.
Klimawandel heizt auch Grundwasser auf
In der aktuellen Studie wurden die Veränderungen der Grundwassertemperatur bis zum Jahr 2100 weltweit für zwei Szenarien sozioökonomischer globaler Veränderung prognostiziert. Mit solchen Szenarien ("Shared Socioeconomic Pathways", SSP) werden verschiedene sozioökonomische Entwicklungen und Verläufe des atmosphärischen Treibhausgasgehalts in der Zukunft beschrieben. "SSP 245" repräsentiert dabei in etwa die Mitte der möglichen zukünftigen Treibhausgasentwicklungen, "SSP 585" den oberen Rand dieser Entwicklung, also mit hohen Emissionen und Temperaturen.
So produzierte das Forscherteam um Susanne Benz vom Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), dem auch Christian Griebler vom Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Universität Wien angehörte, globale Temperaturkarten für Grundwasser in Tiefen von fünf und 30 Metern unter der Erdoberfläche. "Diese zeigen, dass an Orten mit flachem Grundwasserspiegel und/oder hoher atmosphärischer Erwärmung weltweit die höchsten Grundwassererwärmungsraten zu erwarten sind", so Benz in einer Aussendung.
Qualität von Grundwasser sinkt für Millionen Menschen
Legt man die Annahmen nach SSP 245 zugrunde, werden die Grundwassertemperaturen bis 2100 um 2,1 Grad Celsius steigen, nach SSP 585 sogar um 3,5 Grad Celsius. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung, denn zu warmes Grundwasser kann nicht bedenkenlos getrunken werden, sondern muss etwa abgekocht werden. Davon sind den Forschern zufolge heute schon rund 30 Millionen Menschen betroffen.
Die neue Studie zeigt nun, dass diese Zahl drastisch ansteigen kann: Nach SSP 245 werden 76 bis 188 Millionen Menschen in Gebieten leben, in denen das Grundwasser den höchsten vom jeweiligen Land festgelegten Grenzwert für die Trinkwassertemperatur überschreitet. Nach SSP 585 werden es sogar 59 bis 588 Millionen Menschen sein. Die große Schwankungsbreite hängt mit räumlichen Unterschieden der Klimaerwärmung und Tiefe des Grundwasserspiegels zusammen. Am geringsten wird die Erwärmung in Gebirgsregionen wie den Anden oder den Rocky Mountains sein. Dies gelte auch für den alpinen Raum in Österreich, erklärte Griebler gegenüber der APA.
Gefahr für mehr Schadstoffe auch in Grundwasser in Wien
Für detailliertere Aussagen über die regionale Entwicklung in Österreich reicht die räumliche Auflösung der aktuellen Studie nicht aus. Griebler verweist in diesem Zusammenhang auf einen aktuellen Bericht des Umweltbundesamts. Demnach zeigt die Entwicklung der Grundwassertemperaturen "in weiten Teilen Österreichs einen steigenden Trend auf niedrigem Niveau, der mit dem klimawandelbedingten Anstieg der Lufttemperaturen verbunden ist". Auf Basis von zehnjährigen Zeitreihen würden rund 73 Prozent der Messstellen einen signifikant steigenden oder leicht steigenden Trend der Grundwassertemperaturen aufweisen.
Die Folgen davon sind weitreichend. In wärmeren Grundwasser sind Mikroorganismen aktiver und verbrauchen mehr Sauerstoff. Dadurch gerät das ganze System aus dem Gleichgewicht, betonte der Grundwasserökologe Griebler. Die Mikroben stellen bei Sauerstoffmangel auf anaerobe Atmung um, und es entstehen gelöstes Eisen und Mangan, Schwefelwasserstoff oder Methan. "Das beeinträchtigt die Grundwasserqualität drastisch, es kann nicht mehr ohne weiteres als Trinkwasser genutzt werden bzw. nur nach sehr teurer Aufbereitung", so Griebler. Auch Schwermetalle und Nährstoffe wie Arsen und Phosphor können unter sauerstofffreien Bedingungen aus dem Sediment mobilisiert werden. Diese Gefahr sieht der Wissenschafter vor allem dort, wo die Sauerstoffkonzentrationen im Grundwasser bereits jetzt schon sehr niedrig sind, beispielsweise unter großen Städten. Auch Wien sei ein solches Beispiel.
Als "wichtige Stellschraube" zum Schutz des Grundwassers nennen die Wissenschafter die Landnutzung. So liege in städtischen Bereichen und unter großflächig versiegelten Oberflächen die Grundwassertemperatur im Schnitt um mindestens zwei Grad Celsius höher als in Bereichen mit unversiegelten Böden. "Keine weitere Bodenversiegelung und eine Entsiegelung sind wichtige Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers", so Griebler.