Forschende betonten auf einer Veranstaltung des Forschungsverbunds Umwelt und Klima der Universität Wien, die in Zusammenarbeit mit dem Naturhistorischen Museum Wien am Dienstagabend stattfand, dass bei der Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen soziale Ungleichheiten, die sich in unterschiedlichen Hitzebelastungen in Städten zeigen, stärker berücksichtigt werden müssen. Sie kritisierten, dass häufig vorrangig prominente Einkaufsstraßen begrünt werden, während Stadtteile mit geringerem Einkommen vernachlässigt werden.
Wege, um der extremer werdenden Hitze im Stadtgebiet entgegen zu wirken, wie etwa weniger Beton oder weniger Individualverkehr, dauern als Infrastrukturprojekte in der Stadtplanung oft sehr lange, wie Umweltgeowissenschafter und Co-Leiter des Forschungsverbundes, Thilo Hofmann erklärte. Demgegenüber sei rasches Handeln nötig - nicht zuletzt, weil Hitzewellen in Europa etwa im Jahr 2022 61.000 Todesopfer gefordert haben oder schon jetzt in Österreich mehr Personen durch Hitze sterben als durch den Straßenverkehr.
Hitze in Städten: Kühle Luftströme auch für einkommensschwächere Gegenden gefordert
Relativ kleine, unmittelbare Maßnahmen wie Begrünungen, Ruheplätze oder Wasserflächen im eigenen Viertel, die für Bewohnerinnen und Bewohner in maximal fünf Minuten zu erreichen sind, können demgegenüber schon starke Effekte haben: "Wichtig ist, dass es hier nicht darum geht, dass sich die Leute im abstrakten Sinne wohler fühlen, sondern dass die Gesundheit messbar steigt. So sinken zum Beispiel Erkrankungen, Krankenstandstage oder psychosomatische Belastungen", sagte Hofmann zur APA. Neben einzelnen Begrünungen brauche es vor allem die Verflechtung aller Maßnahmen, damit kühle Luftströme auch speziell in einkommensschwächeren urbanen Gegenden ankommen, meinte auch Umweltpsychologie Mathew White. Weil wohlhabendere Stadtbewohnerinnen und -bewohner schon jetzt im Regelfall in den grünsten Stadtteilen wohnen, würden ökonomisch schwächer gestellte Personen auch am meisten von gut gesetzten Interventionen profitieren.
Weniger Kühlungseffekte in Städten lassen auch Sterberisiko bei Hitzewellen steigen
In diesem Bereich zeigte jüngst auch eine im Fachjournal "Nature Cities" veröffentlichte Studie mit Beteiligung der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) ein Missverhältnis auf: In allen 14 von dem internationalen Forschungsteam untersuchten europäischen Stadtgebieten, darunter auch Wien, kommen bei Bewohnerinnen und Bewohnern mit niedrigem Einkommen, aber auch Mietern, Einwanderern und Arbeitslosen verhältnismäßig wenige, bei jenen mit höherem Einkommen sowie Einheimischen und Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern überdurchschnittlich viele Kühlungseffekte durch städtische Grünflächen an. Somit sei auch das Sterberisiko während extremer Hitzewellen in einkommensschwächeren urbanen Umgebungen höher, hieß es dazu in einer Presseaussendung der Boku.
Mehr Begrünungsmaßnahmen gegen Belastung durch Hitze in Städten gefordert
Zudem gibt es laut White einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit, in der Naherholungsgebiete besucht werden, und dem individuellen Wohlbefinden. "Es sind also sowohl schnelle Begrünungsmaßnahmen als auch ein besserer Zugang zu Naturgebieten um die Stadt nötig", sagte er gegenüber der APA. Interventionen, durch die gerade sozial vulnerable Personen beim Zugang zu Naherholungsgebieten unterstützt werden, bieten so ein hohes Potenzial in Bezug auf eine Verbesserung der Gesundheit der Stadtbevölkerung. Für Wien nannte der Forscher die Donauinsel, die an das U-Bahn-Netz angebunden ist, als Positivbeispiel, während etwa die Stadtwanderwege im Wienerwald oft nur mit weiterführenden Bussen erreichbar sind.
Eine weitere Stellschraube, um soziale Ungleichheiten im Rahmen der Klimaerwärmung abzuschwächen, biete das Mietrechtsgesetz, wie die Rechtswissenschafterin Stephanie Nitsch gegenüber der APA erklärte. In diesem Bereich gelte es besonders zu beachten, dass sich Ungleichheiten intensivieren können, wenn das Gesetz etwa in Zukunft so ausgestaltet wird, dass Kosten für Dekarbonisierungsmaßnahmen an Mieterinnen und Mieter weitergegeben werden können.