Die russische Community hat am Donnerstag in Wien fast ohne Bezugnahmen auf den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine den "Tag des Sieges" gefeiert, der an den sowjetischen Sieg über Nazideutschland 1945 erinnert.
An zwei Versammlungen sowie einem Marsch nahmen laut Polizeiangaben etwa 500 Personen teil. Für kurze Spannung sorgten ukrainische Gegendemonstranten. Der russische Botschafter in Wien, Dmitri Ljubinski, setzte sich mit einer emotionalen Rede in Szene.
Angehörige der russischen Community sowie internationale Gäste hatten sich zunächst am Nachmittag am Maria-Theresien-Platz eingefunden, wo auf einer kleinen Bühne zum Anlass ein patriotisches Musikprogramm geboten wurde, das für Volksfestatmosphäre sorgte. "Der 9. Mai ist ein besonderer Tag in der Erinnerung der Sowjetmenschen und er wird als Festtag mit Tränen in den Augen bezeichnet. Der Große Vaterländische Krieg wurde für unser Volk zu einer große Tragödie", wandte sich in Begrüßungsworten zunächst eine selbst aus der Ukraine stammende pro-russische Aktivistin an nicht näher definierte "Landsleute". Abgesehen von traditionellen russischen Kriegsliedern gab es mit einem Rapsong, in dem die Loyalität zu Russland beschworen wurde, auch Zeitgenössischeres. Abschließend wurde am Platz das auch international bekannte Lied "Katjuscha" intoniert. "Lasst uns so laut singen, dass man es auch in Moskau hört!", forderte die Moderatorin auf.
Während sich anwesende österreichische Aktivisten aus dem linken und rechten Spektrum im Hintergrund hielten, traten Vertreter der bulgarischen und serbischen Diaspora auch mit eigenen Beiträgen auf. In zwei serbischen Reden, die nicht übersetzt wurden, wurde zudem gegen eine "Neue Weltordnung" sowie gegen "Transhumanismus" gewettert. Im russischen Teil versuchten die Veranstalter indes aktuelle Bezüge zu vermeiden. Der Chef des der russischen Botschaft nahestehenden "Koordinationsrats der Organisation russischer Landsleute" (KSORS), Dmitri Jerochin, der mit einem Verein einer der Anmelder der Veranstaltung gewesen war, machte am Nachmittag im Gespräch mit der APA deutlich, keine Freude damit zu haben, dass zumindest zwei Personen mit "Z" auf den Maria-Theresien-Platz gekommen seien. Der Buchstabe gilt als Zeichen des in Russland "Militärische Spezialoperation" genannten Angriffskriegs gegen die Ukraine. Omnipräsent waren indes russische Flaggen. In Deutschland waren diese Symbole am 9. Mai bei russischen Demonstrationen zum "Tag des Sieges" indes verboten.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Wien marschierten in Folge über den Ring zum sowjetischen Heldendenkmal am Schwarzenbergplatz - viele trugen dabei ausgedruckte Porträts von Vorfahren, die auf sowjetischer Seite im 2. Weltkrieg gekämpft hatten. Am Schwarzenbergplatz gab es zunächst einen kurzen Empfang durch einige ukrainische Demonstranten, die Russinnen und Russen Slogans wie "Russland ist ein Terrorstaat" oder "Russland tötet" zuriefen. Erwidert wurde unter anderem mit "Russland ist heilig" oder auch "Satanisten". Ohne dass es zu Festnahmen gekommen wäre, drängte die Polizei die nicht angemeldete Gegendemonstration ab, die schließlich in größerer Entfernung weiterlief.
Als Höhepunkt dieser Schlusskundgebung fungierten schließlich die Reden des russischen Botschafters Ljubinski sowie seines Botschafterkollegen Alexander Lukaschewitsch, der Russland bei der OSZE in Wien vertritt. Während Lukaschewitsch wie schon oft zuvor daran erinnerte, dass sein Vater Kasimir 1945 als sowjetischer Soldat an der Befreiung von Wien beteiligt gewesen war, gab es von Ljubinski in einer betont emotionalen Rede auch Kritik am aktuellen Österreich. Die österreichische Staatsführung habe am Mittwoch beim "Fest der Freude" am Heldenplatz kein Wort darüber gesagt, wer Europa, Österreich und Wien vom Faschismus befreit habe und mit welchen Opfern dies passiert sei. "Der Name des Siegers ist das sowjetische Vielnationenvolk", rief er. Ein "kriechender Revisionismus" sei nicht annehmbar und er werde keine Chance haben, erklärte der Botschafter, auf dessen Rede sehr zu seiner Freude mit "Russland! Russland!"-Sprechchören reagiert wurde. Das finale Musikprogramm warteten die russischen Diplomaten dennoch nicht ab. Begleitet von Mitarbeitern des Wiener Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) verließen sie kurze Zeit später den Schwarzenbergplatz.