Am letzten der sechs regulären Befragungstage hat der Rot-Blaue-U-Ausschuss mit dem ehemaligen Leiter des Verfassungsschutzes Peter Gridling doch noch eine Auskunftsperson befragt, nachdem sich ein Mitarbeiter von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache zuvor kurzfristig entschuldigen ließ.
Durchaus chaotisch ist am Mittwoch der letzte reguläre Befragungstag im Untersuchungsausschuss zum "Rot-Blauen-Machtmissbrauch" verlaufen. Nachdem die Fraktionen in der Früh noch davon ausgingen, gar keine Zeugen zur Verfügung zu haben, erschien am Nachmittag doch noch Ex-BVT-Direktor Peter Gridling. Im Zentrum seiner Befragung stand einerseits Egisto Ott, andererseits die Neuaufstellung des Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT).
Fall Ott: Ex-BVT-Direktor Peter Gridling im Kreuzverhör
Verfahrensrichterin Christa Edwards begann ihre Erstbefragung mit der Suspendierung des unter Spionageverdacht stehenden Ex-Verfassungsschützers Egisto Ott. Diese wurde im Juni 2018 vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben, der mutmaßliche Russland-Spion erst 2021 wieder suspendiert. Gridling erklärte darauf, er habe Anzeige erstattet wegen des Verdachts der nachrichtendienstlichen Tätigkeit sowie eine Disziplinaranzeige veranlasst und damit seine Aufgabe erfüllt. Die Ermittlungen habe dann das Bundeskriminalamt und nicht das BVT geführt.
Edwards konfrontierte Gridling dann auch mit einer Anschuldigung, die FPÖ-Chef Herbert Kickl bei seiner Befragung im U-Ausschuss vor wenigen Wochen gemacht hatte - nämlich den Vorwurf, Gridling habe Kickl nicht über den "Problemfall Ott" informiert, als dieser Innenminister wurde. "Wenn Kickl das moniert, ist das sein gutes Recht", sagte Gridling. Aber es habe ja eine zuständige Dienststelle gegeben.
Erste "Hinweise" zu Ott habe es schon 2015 gegeben, sagte NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty in seiner Befragung. Diese "hätten aber bei weitem nicht ausgereicht, um irgendetwas zu unternehmen. (...) Auch für Mitarbeiter wie den Herrn Ott gilt der Rechtsstaat", antwortete Gridling. Weiteres wolle er nur in einer nicht-öffentlichen Sitzung sagen, betonte Gridling. Dazu bekam er dann auch die Möglichkeit: Die letzte von drei Fragerunden fand unter Ausschluss der Medien statt.
Abgeordnete widmeten Fragen unter anderem Datenabfragen Otts
Ganz zufrieden mit Gridlings Antwort war der pinke Mandatar nicht: "Das BVT - und das soll jetzt nicht despektierlich klingen - ist ja nicht die MA48, das ist der Staatsschutz". Auch den ehemaligen deutschen Staatssekretär und späteren Wirecard-Lobbyisten Klaus-Dieter Fritsche brachte Shetty erneut aufs Tapet. Dieser sei als externer Berater sicherheitsgeprüft gewesen und habe daher Zugang zu klassifizierten Informationen gehabt, so Gridling. "Wenn sie einen Berater bezahlen, dann soll er sie auch beraten", argumentierte Gridling diese Kompetenzen. Er selbst sei in die Bestellung nicht eingebunden gewesen und gehe davon aus, dass diese mit dem damaligen Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, abgesprochen war. Zeitliche Überschneidungen zwischen Fritsche und Ott habe es nicht gegeben. Dazu, ob die Arbeit von Beamten die sich mit Rechtsextremismus befassten unter Innenminister Kickl erschwert wurde, habe Gridling keine Wahrnehmungen.
Die Abgeordneten widmeten ihre Fragen unter anderem Datenabfragen Otts. Bereits wenige Minuten nach Befragungsbeginn mahnte Gerstl, beim Untersuchungsgegenstand zu bleiben. Auch Datenabfragen von Goldgruber waren Thema. Als oberster Beamter hätte dieser zurecht Informationen abfragen können. Man habe aber auch Anfragen abgelehnt, etwa welche Ermittler im Bereich von Burschenschaften tätig gewesen seien, so Gridling. Für das BVT sei klar gewesen, dass ein blau geführtes Innenministerium eine schwere Zeit bedeute. Die ÖVP-Abgeordnete Corinna Scharzenberger fragte nach zwei "Geheimprojekten", über die Gridling nicht informiert gewesen sei. Auftraggeber sei Goldgruber gewesen, Gridling sei aus dem Ministerium gesagt worden, "dass er nicht berechtigt sei, diese Informationen zu erhalten".
Schwere Vorwürfe gegen Gridling
Darüber dass mit Gridling jemand, der einer zentrale Funktion im Sicherheitsdienst ausübte, "tagelang nicht für das Parlament erreichbar gewesen ist", zeigte sich der Blaue Thomas Spalt im Vorfeld durchaus erstaunt. "Ganz im Spin der ÖVP warnt Gridling immer brav vor der FPÖ", so Spalt, der im ehemaligen obersten Verfassungsschützer ein "Propagandainstrument" und das Netzwerk "aus schwarzen Fäden" zusammenlaufen sieht. Während Gridlings Amtszeit hätten mutmaßliche Spione "nach Herzenslust schalten und walten" können.
Nachdem der ehemalige Leibwächter von Heinz-Christian Strache für heute abgesagt hatte, und die Parlamentsdirektion von Gridling, dem Szenegastronom Martin Ho und dem ehemaligen Generalsekretär der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft, Florian Stermann, keine Rückmeldung erhalten hatte, gingen die Fraktionen zuerst davon aus, dass am Mittwoch keine Befragungen möglich seien werden. Die Grüne Fraktionsführerin Meri Disoski zeigte sich vor der Befragung froh, dass nun doch zumindest eine möglich sei: "Wir sehen die letzte oder eine der letzten Befragungspersonen, so genau wissen wir es nicht".
ÖVP will Sila polizeilich vorführen lassen
Bereits zuvor kündigte die ÖVP an, den Geschäftsführer der Werbeagentur "signs" (vormals: Ideenschmiede), Thomas Sila, polizeilich vorführen zu wollen. Dieser hätte eigentlich gestern befragt werden sollen, hatte jedoch krankheitsbedingt abgesagt. Ganz traut ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger dessen Bescheinigung aber nicht: Sila gehe seiner Arbeit als Geschäftsführer normal nach, sagte er am Rande der Ausschusssitzung zu Medienvertretern. Bereits zuvor sei die Kommunikation mit Sila überaus schwierig gewesen, schilderte Hanger diverse Kontaktversuche der Parlamentsdirektion, auf die entweder mit Rückruf-Ankündigungen oder Verweisen auf Silas Anwalt geantwortet worden sei. Am Ende des heutigen Tages werde man deshalb die polizeiliche Vorführung Silas für den 23. Mai beantragen.
Für denselben Tag noch einmal laden würde Hanger gerne auch den "Feigling der Nation" - Herbert Kickl. Dessen urlaubsbedingte Absage sei ein "demokratiepolitischer Skandal", betonte Hanger einmal mehr. Um Kickl erneut zu laden, braucht es aber die Einstimmigkeit der Fraktionen. Wenig überraschend sprechen sich die Freiheitlichen dagegen aus.
Kritik an "blauer Absagenflut" im U-Ausschuss
Neben Hanger kritisierte auch Shetty die "blaue Absagenflut" und zog in einem Statement schon kurz Bilanz über den von der ÖVP eingesetzten Ausschuss. Man dürfe das "so wichtige Instrument des U-Ausschusses" nicht für parteipolitische Taktik missbrauchen, insbesondere zwischen ÖVP und FPÖ habe es zahlreiche Schlammschlachten gegeben. Einmal mehr bekräftigte neben Shetty auch Disoski die Forderungen nach Liveübertragungen von U-Ausschüssen und einem Russland-U-Ausschuss möglichst zeitnah nach der Nationalratswahl. Dieser solle zeigen, wie es zu der "Unterwanderung" des Sicherheitsdienstes gekommen ist. Denn: "Ibiza woa liab, gegen das, was die FPÖ tatsächlich vor hat", nämlich die Einschränkung der Grund und Freiheitsrechte. "Die FPÖ baut Brücken direkt aus dem Kreml ins Parlament und die Ministerien", sagte Disoski vor Beginn der Befragung Gridlings.