Am Sonntag findet am Wiener Heldenplatz eine Protestaktion für mehr Bewusstsein von Long/Post Covid bzw. ME/CFS statt. Bereits vor Corona gab es in Österreich zehntausende Betroffene, jedoch hat sich die Zahl mit der Pandemie nochmal stark erhöht, so die Veranstalter, die Österreichische Gesellschaft für ME/CFS. Symbolisch für die vielen Schwerkranken werden bei der Aktion Feldbetten aufgestellt und Sehenswürdigkeiten blau beleuchtet.
Trotz der offiziellen Anerkennung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1969 für die Krankheit gibt es für Betroffene bis heute keine Versorgung. Unter dem Hashtag #unversorgtseit1969 werden auch Künstlerinnen und Künstler, Betroffene und Angehörige bei der Aktion am 12. Mai, die von 14.00 bis 16.00 Uhr stattfindet, Reden halten. "Wir wollen die Missstände aufzeigen und gemeinsam ein starkes Signal an die Politik und die Sozialversicherungsträger senden: Für eine angemessene Versorgung und Absicherung", sagte Obmann Kevin Thonhofer.
Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere, chronische Multisystemerkrankung, die zu erheblichen Beeinträchtigungen führt. Diese reichen von Arbeitsunfähigkeit bis hin zur Pflegebedürftigkeit und in sehr schweren Fällen sogar zum Tod. Ausgelöst wird ME/CFS in den meisten Fällen durch eine Infektion und tritt vor allem bei jungen Menschen auf. Trotz der Schwere und des starken Anstiegs von ME/CFS durch die Corona-Pandemie fehle es nach wie vor an medizinischer und sozialer Unterstützung sowie Forschung, kritisierte sie Österreichische Gesellschaft.
So gibt es in ganz Österreich keine einzige spezialisierte Anlaufstelle für ME/CFS-Betroffene oder aufsuchende Betreuung für Bettlägerige. In Österreich gebe es etwa mehr ME/CFS-Betroffene als Plätze im Ernst-Happel-Stadion, mehr Giraffen als ME/CFS-Spezialistinnen und -spezialisten sowie mehr Museen für Klos als Anlaufstellen für ME/CFS, wurde kritisiert.
"ME/CFS ist ein mit zwei Türen verschlossenes Gefängnis. Eine Tür ist die Krankheit, die andere ist eine Gesellschaft und Politik, in der die Menschen nicht ernst genommen werden. Die Ausgänge dieses Kerkers sollten schon längst geöffnet sein", beschreibt der bildende Künstler Matthias Mollner die Erfahrungen, die er und seine schwerst an ME/CFS erkrankte Partnerin Judith Schoßböck in den vergangenen Jahren gemacht haben. Die junge Frau war als Wissenschafterin tätig. Heute ist sie bettlägerig und ein Pflegefall.
Die Mängel des Gesundheitssystems setzen sich im Sozialsystem fort, betonte die Österreichische Gesellschaft. Der Großteil der ME/CFS-Betroffenen verliert mit der Krankheit die Arbeitsfähigkeit. Trotzdem herrschen gravierende Missstände bei der Anerkennung von Berufsunfähigkeitspension oder dem Grad der Behinderung. Auch um Anerkennung einer adäquaten Pflegestufe müssen ME/CFS-Betroffene und ihre Angehörigen kämpfen, berichtet Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger. "Nach wie vor kämpfen Tausende Menschen in Österreich dafür, ärztliche und therapeutische Hilfe zu bekommen, viele von ihnen bleiben unversorgt. Die Zuerkennung einer Pflegestufe ist ein Problemfeld und stellt ME/CFS- und Post-Covid-Betroffene und ihre pflegenden Angehörigen vor weitere Probleme. Sie müssen sehr oft den Gerichtsweg beschreiten, sich durch die Bürokratie kämpfen und das ohne die Sicherheit, den Kampf zu gewinnen", beschrieb sie die Situation.