Montagfrüh hat ein Aktivist mit Kunstblut vor der Akademie der Wissenschaften in der Wiener Innenstadt protestiert.
In der Akademie der Wissenschaften fand am Montag die European Conference on Antisemitism statt. Beim Eintreffen von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schüttete der Mann mehrere Liter Kunstblut in Richtung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das Büro Edtstadler sprach von einer gezielten Attacke.
Büro von Edtstadler sprach von "Attacke" mit roter Farbe
Eine Sprecherin der Ministerin teilte mit, dass der Mann versucht habe, gezielt Edtstadler und Deutsch zu attackieren. "Das konnte nur aufgrund des schnellen Eingreifens von Mitarbeitern bzw. der Polizei verhindert werden." Sie zeigte sich darüber entsetzt, dass "gerade auf einer Veranstaltung, die die bessere Vernetzung gegen Antisemitismus in den Fokus rückt, solche Aktionen stattfinden". Derartiges werde man nicht akzeptieren. "Letzte Woche beschmierte jüdische Geschäfte, heute Angriffe auf Teilnehmende einer Antisemitismuskonferenz - der Judenhass in Österreich zeigt seine hässliche Fratze am helllichten Tag", hieß es.
Bei dem Aktivisten handelte es sich um ein ehemaliges Mitglied der Protestbewegung "Letzte Generation". Der Protest richtete sich gegen die "Normalisierung eines Völkermordes" und für einen "Waffenstillstand" im Gazastreifen, sagte der Aktivist David Sonnenbaum der APA. "Hier geht es nicht um Antisemitismus. Hier geht es darum, jede Kritik am Vorgehen des Staates Israel zu unterdrücken", so Sonnenbaum, der selbst Mitglied der jüdischen Gemeinschaft in Österreich ist.
Anzahl antisemitischer Vorfälle in Österreich hat 2023 um 60 Prozent zugenommen
Die Konferenz, die heuer zum dritten Mal stattfand, behandelte nicht den Nahost-Konflikt, sondern die internationale Vernetzung gegen Antisemitismus, reagierte Edtstadlers Sprecherin auf die Rechtfertigung des Kunstblut-Anschlags. Es sei überhaupt nicht der Ort gewesen, um gegen die Lage in Nahost zu protestieren. "Die Attacke ist daher klar als antisemitisch einzuordnen."
Auf Pro-Palästina-Protesten skandierte Parolen wie "From the river to the sea, Palestine will be free" seien keine legitime Kritik an Israel, sondern ein "Aufruf zum Genozid", sagte der israelische Präsident Yitzhak (Isaac) Herzog, der per Videobotschaft aus Israel zugeschaltet war. Herzog sah keinen Unterschied zwischen "Antisemitismus und Antizionismus" und sprach diesbezüglich von der "ältesten Krankheit der Menschheitsgeschichte". Ein großes Lob sprach das Staatsoberhaupt Israels Bundespräsident Alexander van der Bellen und der österreichischen Bundesregierung für ihren Kampf gegen Antisemitismus aus.
Faßmann ortete "derzeit noch entspannte Lage" an heimischen Hochschulen
Gastgeber, ÖAW-Präsident Heinz Faßmann, ortete im Vergleich zu anhaltend schweren Pro-Palästina-Protesten an Universitäten in den USA eine "derzeit noch entspannte Lage" an den heimischen Hochschulen. Es gebe aber keine Garantie, dass das so bleibt. IKG-Präsident Deutsch sprach von "schrecklichen Zeiten" für Juden in Österreich. "Juden haben wieder Angst, ihre Religion zu zeigen", sagte er und warnte vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ nach der Nationalratswahl im Herbst. Hier orte er ein Déjà-vu zu den Vorgängen im Deutschland während der 1930er-Jahre.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zeigte sich unterdessen am Rande des Festakts zum Europatag betroffen von der Farbattacke auf Edtstadler und die anderen Konferenzteilnehmer. "Antisemitismus ist das Gift jeder Demokratie", betonte der Kanzler. Es müsse alles getan werden, um Antisemitismus in der Gesellschaft zu bekämpfen. Gewalt werde polizeilich verfolgt.