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17-Jähriger nach Terroralarm am Wiener Hauptbahnhof vor Gericht

8-04-2024, 15:53

Kommenden Donnerstag findet der Prozess gegen den 17-Jährigen statt, welcher sich am 11. September 2023, bewaffnet mit einem Kampfmesser, zum Hauptbahnhof Wien begab, um einen Anschlag im Auftrag des "Islamischen Staates" (IS) durchzuführen, seinen Vorhaben jedoch letztendlich nicht verwirklichte.

"Er wird Verantwortung übernehmen und zur Anklage geständig sein", sagte der Verteidiger des 17-Jährigen, David Jodlbauer, am Montag auf APA-Anfrage. Die Verhandlung ist lediglich auf drei Stunden anberaumt.

17-Jähriger kündigte in Chat Anschlag am Wiener Hauptbahnhof an

Dem jungen IS-Anhänger wird im Wesentlichen vorgeworfen, Propagandamaterial der radikal-islamistischen Terror-Miliz gesammelt und geteilt zu haben. Laut Anklage soll er sich spätestens ab Ende Jänner 2023 bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 12. September für den IS betätigt haben, indem er in diversen sozialen Medien bzw. in privaten Chats die terroristische Vereinigung bzw. deren Ziele, darunter insbesondere auch den bewaffneten Jihad, verherrlichte und propagierte. 15 Chats bzw. einschlägige Nachrichten wurden in die Anklage aufgenommen, darunter Ausführungen des Burschen, die er unmittelbar vor der Fahrt zum Hauptbahnhof in eine Telegram-Gruppe mit 28 IS-Anhängern gepostet hatte.

In holprigem Englisch kündigte er seinen Gesinnungsgenossen an: "I make inshallah attacke in vienna". Auf die Nachfrage, wann er "es" machen werde, antwortete er: "Im make today", wobei er ein Foto von sich in den Chat stellte, das ihn mit einem Jagdmesser, Handschuhen und in Tarnkleidung neben einem auf die Wand gesprühten IS-Logo zeigte. Die Anklage lautet auf terroristische Vereinigung (§ 278b StGB) und kriminelle Organisation (§ 278a StGB).

Nicht von der Anklage umfasst ist die terroristische Straftat, die der Jugendliche im Sinn hatte, als er sich bewaffnet zum Hauptbahnhof begab. Diesbezüglich billigt ihm die Staatsanwaltschaft einen Rücktritt vom Versuch zu. Die im Ermittlungsverfahren getätigte Aussage des Burschen, ihn hätte am Hauptbahnhof "der Mut verlassen", deckt sich aus Sicht der Anklagebehörde mit den übrigen Beweisergebnissen, weshalb das, was er seiner Aussage zufolge ursprünglich vorhatte, in der Verhandlung womöglich gar nicht erörtert werden wird.

17-Jähriger wollte zahlreiche Menschen am Wiener Hauptbahnhof töten

Der 17-Jährige hatte nach seiner Festnahme gestanden, er habe einen Anschlag "genauso" wie der Attentäter vom 2. November 2020 machen wollen, "wenn ich die Möglichkeiten, also die Waffen gehabt hätte". Mangels Schusswaffen habe er in einem Shop um 20 Euro ein Feldmesser mit einer Klingenlänge von 16,5 Zentimeter besorgt. Damit wollte der IS-Teenie gemäß seiner vom Wiener LVT protokollierten Aussage am Hauptbahnhof mehreren Menschen in den Hals stechen: "Es hätten für mich mehr als drei oder vier Opfer sein sollen. Diese sollten nicht nur verletzt sein, sondern getötet werden. Ich wollte dadurch zeigen, dass Menschen Allah fürchten sollen. Ich hätte, während ich die Personen erstochen hätte, auch Allahu Akbar (Gott ist groß, Anm.) gerufen, damit alle wissen, warum sie sterben. Durch dieses Töten komme ich ins Paradies, dort ist es sehr schön und ich entgehe der Streiterei mit meinem Vater." Er habe "keinen Zorn auf die Menschen allgemein, aber Polizisten, Soldaten und Homosexuelle sollten sterben", merkte der IS-Anhänger noch an.

Bei der Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons des 17-Jährigen fanden sich insgesamt 2.870 Videos, darunter Material sämtlicher IS-Medienstellen, bestialische Enthauptungsvideos und gewaltverherrlichende Aufnahmen, die er auch weitergeleitet hatte. Neben IS-Propaganda hatte der Angeklagte auf seinem Handy auch einen Bombenbauplan abgespeichert.

Gutachten: 17-Jähriger hat Anpassungsstörung und Entwicklungsstörung

Einem Gutachten einer Kinder- und Jugendpsychiaterin zufolge weist der 17-Jährige eine Anpassungsstörung sowie eine kombinierte Entwicklungsstörung auf. Dieses Zustandsbild entspricht laut Gutachten aber weder einer Geisteskrankheit noch einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen schweren, einem diesen Zustand gleichkommenden seelischen Störung, weshalb kein Schuldausschließungsgrund gegeben ist.

Die Sachverständige hält den Burschen ungeachtet seiner radikalislamistischen Gesinnung derzeit auch nicht für gefährlich genug, um für den Fall einer Verurteilung seine Unterbringung im Maßnahmenvollzug im Sinn des § 21 Absatz 2 StGB anzuregen. Der 17-Jährige sei durch den frühen Tod seiner Mutter - diese starb, als er sechs Jahre alt war - traumatisiert. Ungünstige soziale Umstände und weitere Belastungsfaktoren, etwa in der Schule erfahrenes Mobbing, hätten ihn geprägt. Aus alldem hätte sich "eine ich-schwache, unsichere, suggestible und für negative Einflüsse (wie z.B. extremistische Inhalte) anfällige Persönlichkeit mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung und gleichzeitig großem Zugehörigkeitsbedürfnis und dem unrealistisch hohen Wunsch nach Erfolg und Anerkennung" gebildet. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ließen sich "aus klinisch-psychologischer und jugendpsychologischer Sicht" nicht begründen, ist dem Gutachten zu entnehmen.

Die Sachverständige verweist allerdings auf "zahlreiche Risikofaktoren, welche ohne gezielte multiprofessionelle Gegenmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Straftaten (darunter auch Gewalt- oder Sexualstraftaten) erhöhen". Sie empfiehlt daher, den 17-Jährigen nach seiner Enthaftung in einer sozialpädagogischen WG mit intensiver multiprofessionellen Betreuung unterzubringen sowie verpflichtende Bewährungshilfe, Psychotherapie und die Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm anzuordnen.

(APA/Red)

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