US-Außenminister Antony Blinken am Freitag bei seinem Besuch in Wien Bundeskanzler Karl Nehammer, Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen getroffen.
Die beiden Außenamtschefs forderten von der israelischen Regierung angesichts der geplanten Offensive auf Rafah im Gazastreifen einen Plan zum Schutz der Zivilbevölkerung. "Ein derartiger Plan ist uns noch nicht vorgelegt worden", betonte Blinken vor Journalisten.
Schallenberg: "Dilemma"
Israels Premier Benjamin Netanyahu hatte zuvor am Freitag Plänen für eine Offensive in Rafah zugestimmt. Schallenberg äußerte weiters die Ansicht, dass er nicht erwarte, dass Israel die Pläne umgehend in die Tat umsetzt. Israel müsse sich aber am Internationalen Recht messen, und höhere Standards als sein Gegner einhalten, betonte der Außenminister. Es sei eben ein "Dilemma", wenn ein Rechtsstaat gegen Terroristen vorgehe. Doch müsse alles für den Schutz und eine mögliche Evakuierung der 1,4 Millionen Flüchtlinge in Rafah getan werden.
Blinken erklärte im Rahmen der im Bundeskanzleramt abgehaltenen Pressekonferenz, es müsse nicht nur sichergestellt werden, dass Zivilisten in Sicherheit gebracht werden, sondern dass sie danach auch ausreichend versorgt werden. Die USA würden aktuell gemeinsam mit Katar und Ägypten alles unternehmen, um einen Deal zur Freilassung aller israelischen Geiseln zu erreichen. "Es finden aktuell Gespräche statt und sie werden auch fortgesetzt werden." Ziel müsse letztlich ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas sein. Schallenberg nahm auch die militanten Siedler im Westjordanland in die Pflicht und erinnerte daran, dass er bereits Sanktionen gefordert habe, wenn es von dieser Seite Übergriffe auf Palästinenser gebe.
Einigkeit in weltpolitischen Fragen demonstriert
Prinzipiell demonstrierten Blinken und Schallenberg Einigkeit in weltpolitischen Fragen, etwa bezüglich des Ukraine-Kriegs. Österreich sei zwar militärisch neutral, aber ein verlässlicher Partner, wurde von beiden Seiten festgehalten. Auch die von US-Journalisten angesprochenen wirtschaftlichen Verbindungen Österreichs mit Russland und dessen Abhängigkeit vom russischen Gas würde keinen Zwiespalt säen.
Österreich tue alles, um von Russland in Energiefragen unabhängig zu werden, beteuerte Schallenberg. Blinken sekundierte, dass es eben historisch gewachsen sei, dass manche Länder energiepolitisch enge Verbindungen zu Russland hätten. "Wir sehen aber, dass Österreich wichtige Schritte setzt, um von diesen fossilen Brennstoffen wegzukommen." Auch bezüglich der in den USA kritisch beäugten Russland-Aktivitäten der Raiffeisen Bank International (RBI) versuchte Schallenberg zu kalmieren. Es stehe außer zweifel, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Russland von Österreich mitgetragen würden.
Blinken und Schallenberg betonten Partnerschaft
Die beiden Außenminister betonten die starke Partnerschaft und Kooperation bei wichtigen Themen wie der EU-Integration der Westbalkan-Staaten. Die USA würden die Strategie der EU-Kommission, Länder wie Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro oder den Kosovo in die Europäische Union zu integrieren, voll unterstützen. Es dürfe kein zurück in die 1990er-Jahre geben, als am Balkan Kriege geführt worden seien. Es gelte die "Stimmen der jungen Generation zu hören", die ihre Zukunft in Europa sehe. In Außenminister Schallenberg hätte diese einen starken Verbündeten, lobte Blinken. Allerdings müssten manche Länder wie Bosnien-Herzegowina auch noch ihre Hausaufgaben machen, bis sie reif seien, der EU beizutreten. Zudem müssten Serbien und der Kosovo endlich ihre Konflikte beilegen und eine Basis für Dialog und Kooperation finden.
Blinken besuchte Van der Bellen
Im Anschluss besuchte US-Außenminister Blinken auf der anderen Seite des Ballhausplatzes auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Präsidentschaftskanzlei. Dieser nannte die Entwicklungen in Gaza "äußerst besorgniserregend". "Ich begrüße die Bemühungen der USA, die Versorgung der Menschen im Gazastreifen mit humanitärer Hilfe sicherzustellen. Für die leidende Zivilbevölkerung in Gaza sind eine sofortige humanitäre Waffenpause und ungehinderter Zugang für Hilfe dringend notwendig", schrieb Van der Bellen auf X.
Nehammer würdigte laut einer Mitteilung des Bundeskanzleramts den Besuch des US-Außenministers mit den Worten, Blinkens Visite bei der UNO-Drogenkommission "bringt den Schwerpunkt auf das Thema Sicherheit, Kampf gegen Schmuggler und Kriminalität u.a. im Zusammenhang mit synthetischen Drogen zum Ausdruck". Ein weiteres gemeinsames Interesse sei "unser Engagement für die Sicherheit aller jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die gerade vielerorts bedroht und in Gefahr ist, wie auch für die Sicherheit und Stabilität am Westbalkan".
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, hatte im Vorfeld der bilateralen Treffen unterstrichen, die USA und Österreich arbeiteten etwa bei der humanitären Hilfe für die Ukraine und bei der Einhaltung der Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland zusammen. Beide Länder zählen zudem zu den stärksten Unterstützern Israels im Nahost-Konflikt.
Blinken bei UNO-Drogenbekämpfungskonferenz in Wien
Blinken hatte zuvor an der UNO-Drogenbekämpfungskonferenz in der Wiener UNO-City teilgenommen. Er ist der erste US-Außenminister, der jemals bei dem jährlichen Treffen der UNO-Betäubungsmittelkommission (CND) dabei war. Eines der zentralen Themen der Konferenz ist nämlich die Opioidkrise in den USA, die zuletzt immer dramatischere Ausmaße angenommen hat. Überdosen mit synthetischen Drogen wie Fentanyl haben sich in den Vereinigten Staaten mittlerweile zur Todesursache Nr. 1 in der Altersgruppe von 18 bis 45 Jahren ausgewachsen. Der US-Außenminister plädierte für eine weltweite Kooperation im Kampf gegen synthetische Drogen und warb für die Teilnahme an der von ihm im Vorjahr initiierten "Globalen Koalition zur Bewältigung der Gefahren durch synthetische Drogen" (Global Coalition to address Synthetic Drug Threats).
Am Rande der Konferenz traf Blinken zudem den Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO), Rafael Grossi. Sie sprachen nach Angaben der US-Botschaft unter anderem über die IAEA-Beobachter in dem von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja oder über das Atomprogramm des Iran. Teheran habe in den vergangenen Monaten laut IAEA weiterhin nichts zur Aufklärung von Fragen zu ehemals geheimen Atomanlagen beigetragen und die Arbeit von IAEA-Inspektoren nur stark begrenzt zugelassen.