Mit dem heutigen Donnerstag wurde die neue Dauerausstellung "Klima. Wissen. Handeln!" im Technischen Museum Wien (TMW) eröffnet. Damit will man dem Klimawandel endlich einen eigenen Raum geben, um auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen. In für das Museum gewohnt greifbarer Manier soll Bewusstsein und Wissen zur Thematik gebildet und Wissenschaftsskepsis abgebaut werden.
Unter dem Titel "Klima. Wissen. Handeln!" gelingt dem Haus in Wien-Penzing ein stellenweise eindrucksvoller Einblick in das vielleicht größte Thema unserer Zeit. Greifbar wird der massive menschliche Einfluss auf den Planeten vor allem vom All aus - und hier legt das TMW im wahrsten Sinne des Wortes die Fakten u.a. auf den Hightech-Tisch.
Der Klimawandel in greifbarer Form im Technischen Museum Wien
So sind in Zusammenarbeit mit der vom Tiroler Josef Aschbacher geleiteten Europäischen Weltraumorganisation ESA und der Linzer Ars Electronica Solutions beispielsweise zwei Medienstationen entstanden, an denen vorrangig Besucherinnen und Besucher ab zwölf bis 14 Jahren auf innovative Weise quasi hands-on begreifen können, wie man heutzutage mit Hochtechnologie in Form von zahlreichen Erdbeobachtungssatelliten den Status quo und die Veränderungen auf dem Planeten sichtbar machen kann. So werden die mannigfaltigen Informationen optisch ansprechend auf ein aus Holz herausgefrästes 3D-Höhenmodell der Umgebung Wiens projiziert - mit einem Wischen lässt sich nachvollziehen, wie genau hier die Bodenfeuchtigkeit oder die landwirtschaftliche Nutzung gemessen und abgelesen werden kann. Einen derartigen Aufbau gibt es bisher noch keinen zweiten außerhalb von ESA-Einrichtungen, betonte TMW-Generaldirektor Peter Aufreiter am Mittwoch vor Journalisten.
Auch große, hochformatige Bildschirme, die Interviews mit Experten zeigen, welche in einem Format aufgebaut wurden, die an Instagram-Storys erinnern, sollen vor allem junge Interessenten abholen.
Andernorts kann an einem Touchscreen-Tisch u.a. die Temperaturentwicklung in der Bundeshauptstadt in den vergangenen 40 Jahren dargestellt werden. Das lässt sich ebenso bedenklich an, wie etwa die Entwicklung von Österreichs größtem Gletscher - der Pasterze am Großglockner - oder jene der großen Eisflächen Grönlands bzw. der Amazonas-Regenwälder.
Wir alle sind Opfer, Zeugen und Täter
Wir wissen also etwa durch das ESA-Erdbeobachtungsprogramm sehr gut darüber Bescheid, was aktuell abläuft und in welche Richtung es ohne wirksame Gegenmaßnahmen gehen kann. Wie umkämpft die eigentlich entwaffnend eindeutigen Befunde aber immer noch sind, und wie das auch aus psychologischer Sicht erklärt werden kann, ist ebenso Teil der neuen Schau im Erdgeschoß des TMW. Aufreiter sah bei der Präsentation des ersten Teils der noch bis 2026 laufenden umfassenden Überarbeitung der Dauerschauen seines Hauses uns Menschen nicht nur in einem Zwiespalt sondern in einem "Trispalt".
Wir sind gleichzeitig "Opfer, Zeuge und Täter", so Aufreiter. All das sollte in "Klima. Wissen. Handeln!" mitbehandelt werden, ohne in eine ausweglose, düstere Dystopie abzudriften. Es gehe eben auch darum, Handlungsoptionen aufzuzeigen und zum Handeln anzuregen, so Projektleiterin Gudrun Ratzinger. Das sollen sich die Besucher idealerweise von der Ausstellung mit nach Hause nehmen. Möglich ist das auch in Kärtchenform: Am Ende der Ausstellung werden den Besuchern auf Papierkarten to go konkrete Handlungsmöglichkeiten vorgeschlagen, die in ihren Alltag integriert werden können. Je nach Challenge-Willigkeit sind diese leicht bis schwer umzusetzen.
"Future Simulator" verknüpft Klimakrise mit Spaß - eine Kunst
Bevor es aber am Ende der vielfach recht interaktiven Ausstellung dorthin geht, hat der Besucher noch ein besonderes technisches Schmankerl vor sich: den "Future Simulator". Darin wird man von einer KI mit allerlei Fragen zum Klimawandel konfrontiert. Die Bewegungen der Gruppenmitglieder in dem Raum im Raum werden automatisch getrackt, so kann im Stile der Kinder-TV-Show "1,2 oder 3" in Echtzeit abgestimmt werden. Das führt dann in verschiedene Zukunftsszenarien, die unterstützt durch das "Climate Change Center Austria" (CCCA) dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechen. Bei der Presse-Vorführung hatte der "Future Simulator" noch etwas Probleme, die unterschiedlichen Zukunftsszenarien zu verarbeiten - im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Programm stürzte immer wieder ab. "Noch eine Nachtschicht", kommentierte Aufreiter das technische Problem, das sich hoffentlich schon bald in Luft aufgelöst hat, denn das interaktive Programm schafft es tatsächlich, das emotional herausfordernde Thema des Klimawandels mit Spaß zu verknüpfen. Eine Kunst, die die Besucher nicht verpassen sollten.
Aber apropos Wissenschaft: Sie kommt etwa in Form von zahlreichen Video-Interviews mit Aschbacher oder der Meteorologin Helga Kromp-Kolb zu Wort und zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung, an deren Eingang eine Filminstallation des stilistisch unverkennbaren Wiener Dokumentarfilmers Nikolaus Geyerhalter zu sehen ist. Eine der neuen Aufgaben von Museen moderner Prägung sei nun einmal auch das Abbauen von Wissenschaftsskepsis - ein vor allem in Bezug auf den Klimawandel in Politik und Bevölkerung durchaus weit verbreitetes Phänomen.
Im Gegensatz zu vielen anderen gesellschaftlichen Akteuren sei man als Museum hier in einer besonderen Position: Als eine von wenigen Institutionen werde Museen auch heutzutage durchaus "große Glaubwürdigkeit" attestiert. Daher wolle man eben "die Fakten auf den Tisch legen" und am lebhaften gesellschaftlichen Diskurs aktiv mitwirken, so Aufreiter.
TMW zeigt diverse Herausforderungen auf
Auch noch spannend: Wer wissen will, was Geschlechterunterschiede mit dem Klimawandel zu tun haben, sollte auf die kleinen Gender-Markierungen in der Ausstellung achten - hier wird man immer wieder überrascht.
Die Dauerausstellung "Klima. Wissen. Handeln!" soll für mindestens 10 Jahre zugänglich bleiben. Um die Besucher immer mit neuesten Daten und Erkenntnissen der Wissenschaft am laufenden Stand halten zu können, wurde die Ausstellung mit leicht tauschbaren Paneelen versehen.
Auch Umweltministerin Leonore Gewessler hat am Abend vor Eröffnung die neue Ausstellung besucht und auf die Bedeutung der Thematik aufmerksam gemacht: "Die Klimakrise stellt unsere gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass diese Ausstellung alle dazu einlädt, sich bewusst zu machen, welche Ursachen und Auswirkungen sie hat, um gemeinsam ins Handeln zu kommen. Denn unsere Generation trägt eine große Verantwortung. Nur durch unser aktives Engagement können wir eine lebenswerte Welt für unsere Kinder und Enkelkinder sichern."