Seit dem vergangenen Herbst befindet sich ein 26-jähriger Mann aus Wien in der Justizanstalt Josefstadt in Untersuchungshaft aufgrund des Vorwurfs der fortgesetzten Gewaltausübung gemäß § 107b StGB.
Er soll seit 2012 bis Februar 2023 seine um zwei Jahre jüngere Schwester misshandelt haben, im Jahr 2017 jeden zweiten Tag. Wiederholt soll er ihr auch Verletzungen zugefügt haben, indem er etwa einen Stein gegen ihre Schläfe schlug. Von 2017 bis 2019 richtete sich laut Anklage die Gewalt gegen den um fünf Jahre jüngeren Bruder.
26-Jähriger wegen fortgesetzter Gewalt gegen Geschwister vor Gericht
Die Schwester war in diesem Zeitraum zu ihrer Großmutter gezogen, um dem Leidensdruck zu entgehen. Der ältere Bruder soll sie ständig an den Haaren gezogen, Gegenstände nach ihr geworfen, sie mit der Faust geschlagen und Fußtritte versetzt haben. Nach dem letzten Faustschlag ging die 24-Jährige im Vorjahr zur Polizei und erstattete Anzeige.
Zum Auftakt seines Prozesses bekannte sich der 26-Jährige am Donnerstag vor einem Schöffensenat teilweise schuldig: "Wir haben Auseinandersetzungen gehabt, aber nicht so, wie es geschildert wird. Es war kein Mordversuch. Es war selten, dass wir uns getögelt haben." Der Angeklagte - der älteste Sohn einer Familie aus bestem Haus, Vater und Mutter sind Akademiker und bei renommierten Unternehmen beschäftigt - behauptete in weiterer Folge, seine um zwei Jahre jüngere Schwester habe schon als Kleinkind die Mutter dazu gebracht, ihn zu schlagen, indem sie zu weinen begonnen habe, sobald er im selben Raum war. Das habe "zu Rangeleien unter Kindern" geführt. Mit seinem um fünf Jahre jüngeren Bruder habe er "eigentlich ein ganz gutes Verhältnis". Mit diesem habe er sich "nur Polsterschlachten" geliefert.
Angeklagter über Schwester: "Sie ist eine gute Schauspielerin"
Die laut Anklage hauptsächlich betroffene Schwester hatte im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch ausgesagt und den 26-Jährigen dabei massiv belastet. Wie die Staatsanwältin berichtete, war die junge Frau während der schonenden Befragung mehrfach in Tränen ausgebrochen, ein Mal musste die Einvernahme sogar unterbrochen werden, "weil sie einen Zusammenbruch hatte", wie die Anklägerin mitteilte. "Sie ist eine gute Schauspielerin", hielt dem der Angeklagte entgegen. Auf die Frage, weshalb ihn die eigene Schwester derart stark belaste, erwiderte er: "Weil sie mich hasst. Sie würde alles tun, um mich erniedrigt zu sehen."
Eine psychische Erkrankung des Studenten steht im Raum. Einem Gutachten des Psychiaters Peter Hofmann zufolge ist der 26-Jährige zwar zurechnungsunfähig, dürfte aber an einer paranoiden Psychose leiden, die ihn auch gefährlich macht. Ohne entsprechende Behandlung müsste dem Sachverständigen zufolge mit schweren Körperverletzungen und weiteren Gewaltdelikten gerechnet werden, so dass sich Hofmann in einem schriftlichen Gutachten im Fall einer Verurteilung für die Unterbringung des Studenten ein einem forensisch-therapeutischen Zentrum ausgesprochen hat.
Verhandlung in Wien auf unbestimmte Zeit vertagt
Allerdings will der Gutachter den 26-Jährigen jetzt noch ein Mal untersuchen, da sich dessen psychischer Zustand seit seiner Inhaftierung gebessert hat. Der Student bekommt seither eine Depotspritze, während er beim ersten Termin beim Sachverständigen einen hochgradig psychotischen Eindruck hinterließ, wirkte er infolge der Medikamente in der Verhandlung, ruhig, besonnen und sehr konzentriert. Daher wurde die Verhandlung zur weiteren Beweisaufnahme auf unbestimmte Zeit vertagt.