Der Wiener Polizeichef Gerhard Pürstl betonte, dass die Zahl der Tötungsdelikte in Wien in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Bei der Kriminalität ist man in der Stadt insgesamt gut aufgestellt, vor allem bei Kerndelikten wie Einbrüchen oder Gewalt gegen Frauen und Kinder.
Pro Monat werden in Wien 350 bis 360 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen. "2023 waren es ein paar weniger", sagte Wiens Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl dieser Tage im APA-Gespräch. Gewalt in der Privatsphäre bedeute in der Regel Gewalt gegen Frauen oder Gewalt gegen Kinder. "Unsere Beamte sind angewiesen, da sehr gut hinzuschauen", betonte Wiens oberster Polizist.
Wiens Polizeichef Pürstl: 350 bis 360 Betretungsverbote im Monat
"Wir haben in Wien ein sehr gutes System im sicherheitspolizeilichen Bereich, wo es den Bediensteten vor Ort möglich ist, die Situation einzuschätzen, und dann, wenn es notwendig ist, ein Betretungsverbot verbunden mit einem Annäherungsverbot auszusprechen" sagte Pürstl. In Wien gebe es insbesondere einen "Gewalt in der Privatsphäre-Support", dem Polizeipräsidenten zufolge eine Art Journaldienst, den die ersteinschreitenden Beamtinnen und Beamten anzurufen haben. In dem Journaldienst helfen Menschen, die im Bereich Gewalt in der Privatsphäre spezialisiert sind, bei der weiteren Behandlung des jeweiligen Falles weiter, erstellen auch mit Hilfe diverser Tools Risikoanalysen für die Gefährder. Die Spezialistinnen und Spezialisten treffen dann eine Prognose. "Da sind wir in Wien federführend", sagte der Landespolizeipräsident.
Seit Herbst 2023 Probebetrieb für ein Opferschutzzentrum
Für die weitere Betreuung der Opfer läuft in der Bundeshauptstadt seit Herbst 2023 ein Probebetrieb für ein Opferschutzzentrum, "das das Ziel hat, dass dort Spezialisten der Prävention arbeiten, die für die gesamte Gefährdungseinschätzung von sogenannten Hochrisikogefährdern zuständig sind. Darunter verstehen wir solche, wo eine schwere Körperverletzung oder gar eine Todesfolge sogar erwartet werden kann". Diese Spezialisten seien dann für den Opferschutz aller Betroffenen zuständig. "Irgendwann laufen Betretungs- und Annäherungsverbote aus, aber wir wollen jemanden haben, der lange darauf schaut, wie es in der Familie weitergeht, ob sich eventuell auch neue Gefährdungssituationen ergeben." Die Experten sollen auch an Fallkonferenzen teilnehmen und sind mit allen Partnerorganisationen vernetzt. "Das scheint gut anzulaufen und wir hoffen, das auch als Dauerorganisation implementieren zu können", hofft Pürstl.
Insgesamt weniger Tötungsdelikte in Wien
Der Polizeichef wies darauf hin, dass die Zahl der Tötungsdelikte insgesamt deutlich zurückgegangen ist in der Bundeshauptstadt gegenüber den 1980er- und 1990er-Jahren. "Damals waren 50 bis 60 Morde in Wien pro Jahr zu registrieren, jetzt bewegen wir uns jedes Jahr zwischen 15 und 25. 2023 waren es 18." Auch die Motivlage habe sich verändert: "Wie ich bei der Polizei begonnen habe, und ich war eine Zeit lang im 2. und im 20. Bezirk, da konnte man allein nicht in den Prater gehen. Klar, es hat die Wiener Unterwelt gegeben, und die hat es sich manchmal auf ihre Weise ausgemacht. Es gab auf der anderen Seite auch viele Raubmorde. Das gibt es heute nicht mehr in dieser Weise."
Von den 18 Opfern waren Pürstl zufolge elf Opfer männlich und sieben weiblich. "Bei den weiblichen Opfern kann man feststellen, dass das immer Taten innerhalb der Privatsphäre sind, also entweder ist der Täter der Mann oder der Sohn oder ein Bekannter." Bei den männlichen Opfern seien die Motive vielfältiger: "Wir haben einige Taten im Suchtgiftbereich oder es geht in den vermögensrechtlichen Bereich, oder die Tötungen von Obdachlosen." Es sei im kriminalpolizeilichen Alltag nicht so alltäglich, wenn die Täter-Opfer-Beziehung völlig fehlt. Die Aufklärungsquote sei sehr hoch, auch weil es im Normalfall eine Täter-Opfer-Beziehung gibt, "und sei es nur, dass der eine Suchtgift liefert und der andere zahlt nicht".
Klassische Kriminalitätsfelder nicht mehr so attraktiv
Insgesamt sei man bei der Kriminalität in Wien gut aufgestellt bei den Kerndelikten. "Vor allem auch, weil wir wissen, welche Gruppierungen aus der Organisierten Kriminalität sich im Land bewegen, welche Methoden sie haben. Wir wissen ganz genau, dass man im Bereich der kriminellen Organisationen davon spricht, dass Wien kein bequemes Pflaster ist", so Pürstl. "Als ich als Polizeipräsident begonnen habe, lag die Aufklärungsquote bei 28 Prozent, jetzt stabil bei 44 Prozent. Wir hatten damals 10.000 Wohnungseinbrüche, jetzt sind wir bei nicht einmal einem Drittel. Wir hatten 17.000 Kfz-Einbrüche. Wenn wir jetzt 3.000 haben, sind das viele."
Klassische Kriminalitätsfelder seien auch nicht mehr so attraktiv wie die Internetkriminalität. "Wenn man sich die Zahlen anschaut - und da gibt es ja auch eine hohe Dunkelziffer -, sieht man schon, dass es da Jahr für Jahr einen klaren Anstieg gibt", betonte Pürstl. Für die Polizei seien die Ermittlungen in dem Bereich ganz schwierig. "Weil wenn die Server auf den Cayman Islands stehen oder irgendwo in Südostasien, dann ist es oft schwierig dahinterzukommen. Wir setzen auf Prävention, auch mit unseren Partnern in der Wirtschaft, bei den Banken." Und das zweite sei, dass man die Ermittlungskomponente ausbaue: "Wir haben im Zuge der Kriminaldienstreform auch für Wien entsprechende Planstellen bekommen. Die Herausforderung wird sein, dass man für die IT-Ermittlungen alle Planstellen auch mit Köpfen besetzt, die das Know-how haben und einiges aufklären können. Gott sei Dank gibt es auch da einige Täter, die über ihre eigene Schlauheit stolpern und sich nicht so im Netz verstecken, wie es der Vollprofi tut."
Neffen- und Polizistentricks für Wiener Polizei besonders schwierig
Pürstl betonte, ihn bedrücken besonders jene Betrugsfälle, die sich gegen ältere Menschen richten, "vor allem gegen jene, die Situationen nicht mehr so beurteilen können, die Sachlage nicht richtig einschätzen, vielleicht sogar dement sind oder in Richtung Demenz gehen". Bei Neffen- und Polizistentricks seien vor allem alte Menschen die Opfer. "Das ist wahnsinnig schwierig, weil da geht man wirklich gegen die Schwachen der Gesellschaft vor, und das in einem Bereich, wo auch Präventionsarbeit nicht viel nützt, weil der- oder diejenige nicht mehr in der Lage ist, Sachverhalte zu erkennen." Man betreibe daher Prävention über Verwandte und Institutionen, die die Menschen betreuen. "Wir klären auch da immer wieder Fälle auf, aber man muss wissen, dass die Banden, die das betreiben, sehr oft im Ausland sitzen."