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Wiener Rapper Nazar: “Frustrierte Musik klingt immer nice, aber jetzt bin ich älter”

1-01-1970, 00:00

So schließt etwa der Opener “Intro 1984” mit seiner düsteren Ästhetik und dem sehr persönlichen Inhalt an Nazars im Frühjahr erschienene Autobiografie “Mich kriegt ihr nicht” an. “Ich wollte das eigentlich nicht weiterverarbeiten. Aber natürlich kann es sein, dass ein paar Dinge hängengeblieben sind”, so der 33-jährige Nazar. “Ich bin sehr lange an dem Buch gesessen, und im Unterbewusstsein waren wohl noch Sachen da, die in den Songs landeten.” Aber es geht natürlich auch leichter und unterhaltsamer, wie der eingängige Track “Richard Lugner” beweist.

Die Wut sei jedenfalls weniger geworden, unterstrich Nazar. “Ich bin mittlerweile definitiv ein bisschen entspannter und nicht mehr so zornig, weil ich gelernt habe, mit Dingen besser umzugehen. Das hört man auch.” Auch was Zuschreibungen von außen oder Kritik betrifft, lasse ihn vieles kalt. “Ich darf das nicht zu nah an mich heranlassen, gerade die vielen politischen Angriffe”, bezog er sich auf etliche Auseinandersetzungen mit der FPÖ und deren Parteiobmann Heinz-Christian Strache. “Wenn er dann wieder auf Facebook etwas gegen mich gepostet hat, kamen schon sehr krasse Nachrichten. Es ist einfach nur schade, wenn du dich in Österreich als Rapper gegen Rechte aussprichst, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, und du mittlerweile sogar dafür gehated wirst.”

Nazar: Wahlheimat Wien

Als weiteres Beispiel nannte Nazar ein Video von Ungarns damaligem Kanzleramtsminister Janos Lazar, der darin Wien Anfang März als schmutzig, unsicher und höchst kriminell bezeichnete. “Ich habe mich als Favoritner dazu geäußert, dass er die Schnauze halten soll, und wurde von Wienern dafür beleidigt. Spätestens dann denkst du dir: Vergiss es einfach, die Leute sind total hängengeblieben. Wenn sie dich hassen, obwohl sie dich nicht kennen, dann ist es auch okay, und du brauchst auch gar nicht versuchen, diese Menschen umzustimmen.”

Die Stimmung im Land werde aus seiner Sicht stark von einem Links-Rechts-Denken geprägt. “Das ist ein Problem, das wir haben. Man traut sich gar nicht mehr, bestimmte Dinge zu sagen. Ich bin weder links und definitiv nicht rechts, sondern möchte einfach in der Mitte sein. Und man muss ehrlich sagen, dass selbst die neue Regierung, von der ich nicht der größte Fan bin, Dinge vorgeschlagen hat, die ich teilweise nicht so schlecht finde. Aber äußert man das, wird man sofort von den Linken, die eigentlich dafür stehen, liberaler zu sein, angefeindet.”

Die ÖVP/FPÖ-Regierung müsse sich hingegen gefallen lassen, “dass sie dieses Klima sehr stark hervorgerufen hat”, bezog sich Nazar auf etliche “krasse Aussagen” hinsichtlich der muslimischen Bevölkerung. “Wenn die Leute sehen, dass Politiker solche Dinge sagen, denken sie sich irgendwann: Dann kann ich das auch tun.” Die Auswirkungen spüren aus seiner Sicht aber nicht die Politiker, sondern die Menschen. “Es ist eh immer die Bevölkerung, die den ganzen Scheiß austragen muss.” Bezüglich des Lagerdenkens hofft Nazar auf Veränderung. “Dafür braucht es aber gute Oppositionsparteien und gute Politiker, die offen an Dinge herangehen.” Derzeit sehe er das aber keineswegs gegeben.

Echo-Diskussion um Kollegah und Farid Bang heuchlerisch

Als “extrem heuchlerisch” bezeichnete Nazar wiederum die Diskussion um die Rapper Kollegah und Farid Bang, die für antisemitische Texte kritisiert wurden und deren Auszeichnung mit dem Echo das Ende der Preisverleihung nach sich zog. “Schon in der Vergangenheit wurde immer auf Hip-Hop eingeschlagen. Auf die Textzeile der Jungs will ich gar nicht eingehen, die fand ich einfach nicht notwendig. Fakt ist aber, dass sie für Vergleiche und Punchlines bekannt sind. Denen vorzuwerfen, sie wären Antisemiten und ein Riesenthema daraus zu machen mit Talkshows, zu denen sie gar nicht eingeladen sind, und den Echo abzuschaffen, obwohl das nur ein Aufhänger war – das war so eine verlogene, ekelhafte Sache. Bevor der Echo und das ganze Drumherum nicht anfangen hat, über diesen Satz zu reden, hat es auch niemanden interessiert. Aber so funktioniert halt die Medienlandschaft.”

Wie das Musikbusiness funktioniert, das habe sich zuletzt auch stark gewandelt. Besonders Streamingdienste wie Spotify hätten an Bedeutung gewonnen. “Was schade ist, weil die Leute immer weniger Wert auf Alben legen”, so Nazar. “Es geht nur noch um Songs, und darum, schnell zu sein. Da heißt es einfach: Mach, mach, mach! Ich garantiere, dass das die ganze Musikbranche ruinieren wird. Besonders die Qualität von Deutsch-Rap leidet darunter, womit ich nicht die Produktion oder Sounds meine, sondern die Inhalte. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt im deutschen Hip-Hop einen Song mit einem Thema hatte, das nicht eine Automarke, ein Fußballer oder sonst was war.”

Aber auch er selbst habe sich seit seinem Debüt 2008 verändert, gab Nazar zu bedenken. “Da war ich zehn Jahre jünger, ein sehr frustrierter Junge von der Straße, der auch noch unschuldig in Untersuchungshaft gesessen ist. Frustrierte Musik klingt immer nice, wenn sie mit voller Überzeugung kommt. Aber jetzt bin ich älter, mir und meiner Familie geht es Gott sei Dank sehr gut, ich bin glücklich mit meinem Leben – da ist es schwer, solche Songs zu machen. Möchte ich eigentlich auch gar nicht mehr. Mittlerweile ist der Anspruch ein anderer.” Und das hört man “Mosaik” durchwegs an.

APA/red

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