Der Andrang am türkischen Generalkonsulat in Wien-Hietzing war groß: “Wer ein Mensch ist, muss wählen”, sagt ein älterer Mann vor der Stimmenabgabe. “Wir wollen unseren Staat unterstützen, Erdogan ist kein Diktator, wir unterstützen ihn aus freien Stücken”, so eine Wählerin, die auf eine absolute Mehrheit Erdogans beim ersten Wahldurchgang hofft. Auch für eine andere Wählerin, ebenfalls mit Kopftuch, ist Erdogan “natürlich” die richtige Wahl.
Für einen jüngeren Wähler wird der amtierende Präsident zweifellos die absolute Mehrheit bekommen. “Die anderen sind einfach nur PKK-Mörder, die brauchen wir gar nicht wählen”, sagt er mit Blick auf den Kurden-Konflikt und die verbotene Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Er kritisiert, dass “Deutschland und die EU” diese weiter unterstützten. Ein anderer sieht ebenfalls keinen Grund für eine politische Veränderung in der Türkei: “Es hat sich schon etwas verändert – natürlich wähle ich Erdogan”, erklärt er vergnügt.
Auch Kritik an Erdogan wird laut
Ein weiterer Wähler ist offenbar anderer Meinung. Nach der Stimmabgabe, sagt er, dass er sich schon Veränderung wünsche. Auf Details will er nicht eingehen.
Auch dezidierte Unterstützer anderer Kandidaten melden sich offen zu Wort: “Erdogan wird sicher alles verlieren – hundertprozentig!”, zeigt sich ein älterer Herr überzeugt. Eine Frau fordert gegenüber der APA, dass Auslandstürken, die Erdogan wählen, zurück in die Türkei ziehen sollten. “Dann würden sie ihn abwählen”, meint sie, denn Türken im Ausland gehe es “eh gut”. Offenbar ist sie der Ansicht, dass für Türken in der Heimat nicht der Fall ist.
Furcht vor Manipulation der Wahl
Ein aus der Türkei nach Wien als Wahlbeobachter entsandter Vertreter der säkularen, sozialdemokratischen CHP-Partei geht von Manipulationen der Wahl aus. “Ich glaube, dass die Wahlergebnisse aus Österreich in der Türkei verändert werden”, sagte er. “Wir werden hier alles sicher in die Türkei transportieren, aber was drüben für ein Kasperltheater gespielt wird, wissen wir auch nicht”, fährt er auf Deutsch fort.
100.000 türkische Staatsbürger in Österreich
In Österreich leben rund 100.000 wahlberechtigte türkische Staatsbürger, die ihre Stimme vom 7. bis 19. Juni in den drei Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz abgeben können. Die Briefwahl ist nach dem türkischen Gesetz nicht möglich. Zur Präsidentschaftswahl sind sechs Kandidaten zugelassen, allen voran Amtsinhaber Erdogan. Wenn kein Kandidat in der ersten Runde die absolute Mehrheit erhält, findet zwei Wochen später eine Stichwahl statt.
Erdogan kann auf starke Zustimmung der Türken im Ausland hoffen: Bereits beim Referendum über die Einführung des von Erdogan angestrebten Präsidialsystems im April 2017 entfielen in Österreich mehr als 73 Prozent der Stimmen auf das Lager des Präsidenten – deutlich mehr als in der Türkei selbst. Das Resultat löste eine heftige Diskussion über die Integration der Türken hierzulande aus.
(APA/red)