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ALES Jahrestagung in Wien: Drogensucht soll Männererkrankung sein

1-01-1970, 00:00

Die Expertin und Geschäftsführerin des Therapiezentrums Schweizer Haus in Wien-Penzing betonte, dass Missbrauch oder schädlicher Gebrauch zwar noch keine Abhängigkeit bedeuten, es jedoch fließende Übergänge zu dieser gibt, wenn es zunehmend schwieriger werde, sich dem Konsum zu entziehen. Gegenhuber wies darauf hin, dass es in Österreich rund 30.000 Personen gibt, die Opioide, also vor allem Heroin, auf risikoreiche Weise konsumieren, jedoch rund 340.000 alkoholabhängig sind und 100.000 süchtig nach Medikamenten: “Es gibt weit weniger Drogenabhängige als andere Abhängige in Österreich”, der Unterschied mache aber die höhere Sterberate der Opiatabhängigen aus, rund sieben Prozent hätten zudem eine HIV-Infektion. Bei dieser Personengruppe sind 75 Prozent männlich, jedoch zwei Drittel in Behandlung, was rund 17.000 Opiod-Substitutionstherapien bedeute. Diese sei inzwischen die Methode der ersten Wahl bei diagnostizierter Opiatabhängigkeit, sagte Gegenhuber. Die abstinenzorientierte Entzugsbehandlung gilt inzwischen als überholt.

Konsumenten leiden an Folgen von Drogenkonsum

“Konsumenten leiden nicht an dem Konsum der Substanz an sich, sondern an den Folgen”, so Gegenhuber. Bei Personen, die etwa an sozialer Angst leiden und diese mit Drogen dämpfen, fällt die Überzeugungsarbeit für eine Therapie aber eher schwer, schilderte die klinische Psychologin ihre Erfahrung. Die Klientel im WienerTherapiezentrum macht jedoch größtenteils eine auferlegte stationäre und ambulante Therapie im Zuge des Paragrafen 39 des Suchtmittelgesetzes. Bei der Kriminalität ist der Unterschied zwischen Freiwilligen und solchen, die mit Weisung kommen nicht wirklich vorhanden: Neun von zehn Personen haben eine kriminelle Handlung gesetzt, der eine Teil wurde einfach erwischt.

Monika Stempkowski vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wienerläuterte anschließend die Folgen der Entkriminalisierung am Beispiel von Portugal, wo Konsum und Erwerb von Drogen für den Eigenbedarf aus dem Strafrecht 2001 entfernt wurde. Anlass war der zunehmende Konsum während der 1980er- und 1990er-Jahre mit 100.000 problematischen Konsumenten, die Großteil Heroin intravenös konsumierten, was 1999 die höchste HIV-Rate in Europa samt einem starken Anstieg an Drogentoten bedeutete – die Hälfte davon starb in einem Alter unter 29 Jahren.

Drogentote gingen bis 2012 stark zurück

Während das Gesetz 30/2000 Konsum, Erwerb und Besitz von Drogen zu einem Verwaltungsstraftatbestand machte, wurden mit dem Gesetz 183/2001 Begleitmaßnahmen wie Behandlung, Prävention und “Harm Reduction” gesetzt. Das Resultat war eindeutig: Ab dem Jahr 2002 ging die Zahl der Diagnosen bei HIV oder Aids bei Drogenkonsumenten massiv zurück, Stempkowski nannte Spritzentausch und die Präventionsprogramm als mögliche Erklärung. Die Zahl der Drogentoten ging von 78 im Jahr 2001 auf 16 im Jahr 2012 zurück- und auch der gesamte Konsum verringerte sich in diesem Zeitraum, wie auch die Folgekosten des Drogenkonsum zurückgegangen sind.

Keine signifikanten Änderungen ergaben sich aus der Legalisierung von Cannabis in den US-Bundesstaaten Colorado und Washington State. Im letztgenannten Bundesstaat ist die Legalisierung seit 2014 in Kraft, das Konsumverhalten der Jugendlichen war infolge stabil bis rückläufig. Jugendliche wurden auch befragt, wie leicht der Erwerb von Cannabis ist, und es stellte sich heraus, dass der Zugang für sie nach dem Inkrafttreten schwieriger wurde, erläuterte die Expertin. Bei den Erwachsenen wurde indes erst ein Anstieg in der Lebenszeitprävalenz festgestellt, der dann wieder rückläufig wurde. Stempkowski wies jedoch darauf hin, dass es sich hier jeweils um noch sehr kurzzeitige Untersuchungszeiträume handle.

APA/red

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