Der gestrandete Akademiker habe seine Mutter beschimpft, weshalb er die Nerven verloren habe, entschuldigte der 55-jährige Beamte seinen Ausraster. Der 56-jährige Akademiker hatte in der Betreuungseinrichtung für Obdachlose in Wien-Penzing Hausverbot. Unter Alkoholeinfluss neige er dazu, wüste Beschimpfungen auszustoßen, hatten die Sozialarbeiter beim ersten Verhandlungstermin ausgesagt. Als der Mann im Sommer vergangenen Jahres neuerlich dort auftauchte, weigerte er sich zu gehen, bedrohte eine Betreuerin (“Wennst nicht gleich die Gosch’n haltest, zerreiß ich dich”) und trat gegen eine Türe. Die Frau verständigte daraufhin die Polizei.
Die Beamten versuchten den renitenten Mann zunächst im Guten aus dem Heim zu bringen. Dieser beschimpfte sie von Beginn an auf’s Derbste. Als ihn der Polizist gemeinsam mit seinen beiden Kollegen in die Höhe heben wollte, ließ sich der Obdachlose fallen. Weitere Kraftausdrücke folgten. Schließlich beleidigte er die Mutter des älteren Polizisten extrem ordinär, worauf diesem die Sicherungen durchbrannten. Der Polizist versetzte dem Obdachlosen mit der flachen Hand eine kräftige Ohrfeige. Nach einer kurzen Pause ließ er drei weitere folgen.
Obdachloser Akademiker sei betrunken gewesen
Der seit dem Vorfall vom Dienst suspendierte Polizist verwies auf die Lebensgeschichte seiner Mutter. Diese hätte als einfache Briefträgerin vom Land allen ihren drei Kindern eine ordentliche Ausbildung ermöglicht und sich die damit verbundenen Kosten “vom Mund abgespart”. Mittlerweile lebe sie mit über 83 Jahren in einem Pflegeheim: “Meine Mutter ist in meinen Augen die beste Mutter der Welt.”
Das Opfer, ein Magister, erzählte in äußerst gewählten Worten, was sich seiner Erinnerung nach damals zugetragen hat. Allerdings stellte er seinen Anteil an der Eskalation entschieden in Abrede: Er wäre nicht betrunken gewesen, niemand habe ihn auf das Hausverbot aufmerksam gemacht oder zum Gehen aufgefordert. Schimpfen sei ihm völlig fremd, schon gar nicht gegen Frauen. “Mütter sind die wichtigste Bezugsperson im Leben eines Mannes.” Als Schadenersatz erschienen dem Akademiker 1.000 Euro pro Ohrfeige “angemessen”, diese wurden ihm von Gericht allerdings nicht zugesprochen.
Richter Stefan Romstorfer ging in seiner Urteilsbegründung davon aus, dass es doch zu den Beschimpfungen gekommen ist. Es gehe aber nicht an, dass ein Polizist so agiere, weshalb u.a. aus generalpräventiven Gründen keine Möglichkeit der Diversion bestanden habe. Mit diesen waren beim ersten Verhandlungstermin die zwei jungen Kollegen davongekommen, die sich als Mitangeklagte wegen Amtsmissbrauchs verantworten mussten. Die fünf Monate bedingt sind noch nicht rechtskräftig, da beide Seiten zunächst keine Erklärung abgaben.
APA/red