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Feuerwerk zum Finale des “Prometheus Projekt” beim Musikverein in Wien

1-01-1970, 00:00

Die Idee, die “Symphonie der Symphonien”, wie sie gerne genannt wird, an das Ende des Zyklus zu setzen hatte keine chronologischen Absichten. Jeder der großen Symphonien wurde als Ouvertüre ein entsprechendes Begleitwerk vorangesetzt. Beethovens Großer Fuge in B-Dur wurde diese Aufgabe am Montagabend zu Teil, als Fluch und Segen zugleich. Welser-Möst wollte mit diesen Kombinationen einen inhaltlichen Bogen spannen, der den Komponisten als intellektuellen Aufklärer, Vordenker und musikalischen Revoluzzer seiner Zeit zeigt, wie die Ausführungen des Dirigenten im Begleitheft erläutern. Wie Prometheus das Feuer, brachte Beethoven dem Konzertpublikum des frühen 19. Jahrhunderts neue Wege des Musikdenkens und der Musikdirektor des Cleveland Orchestra entfachte mit seinem “Prometheus Projekt” nun dieses Feuer erneut.

Flotte Tempi und sanfte Melodien im Musikverein Wien

Die “Große Fuge” in B-Dur, ausgeführt vom Streichorchester der Clevelander, erfüllte ihre Funktion als Ouvertüre des Abends recht sinngemäß. Kraft, Fokus auf dem Rhythmus und eine große Portion Sensibilität sollten die taktgebenden Zutaten werden, mit denen Franz Welser-Möst den Werken neue Würze verpassen wollte. Ursprünglich als Finale eines seiner fünf späten Streichquartette vorgesehen, wurde sie letztlich doch zum eigenständigen Werk, das Beethoven zukunftsgewandt, aber auch gleichzeitig retrospektiv zeigt. Die fugische Struktur diente allerdings nur als Fundament, auf welchem sich ein komplexer Wechsel aus flotten Tempi und sanften Melodien aufbaut. Das Gespür für diesen Wechsel und damit die Besonderheit des Werkes zeigte Welser-Möst mit viel Fingerspitzengefühl, alleine die programmatische Kombination mit Beethovens Überwerk nahm der Fuge wirkungstechnisch die Butter vom Brot. Mit den letzten Takten verklang auch die Erinnerung.

Mit geballter Kraft zum Finale

Die Ankündigungen der “Großen Fuge” setzte das Orchester in der Neunten Symphonie prompt um. Ihre Sonderstellung im Kanon und auch ihre politische Bedeutsamkeit sind von übergroßem Ausmaß, nicht zuletzt wurde die Vertonung von Schillers “Oder an die Freude” zur Europahymne. Das Cleveland Orchestra fuhr Beethoven in seiner gesamten Klanggewalt auf. Welser-Möst fokussierte dabei eine starke rhythmische Stringenz an, mit der er, gepaart mit hoher Dynamik, das “Molto vivace” zum abenteuerlichen Galoppritt avancieren ließ. Nach einer kurzen, andächtigen Verschnaufpause im dritten Satz setzte das Orchester noch einmal mit geballter Kraft zum großen Finale an. Flott und majestätisch zugleich steuerte Welser-Möst die Clevelander zielgerichtet wie ein Schlachtschiff durch das Forte des Freudenthemas, das Assoziationen mit einem Triumphmarsch erweckt. Die Freude, die der Wiener Singverein darüber ausrief, strahlte in voller Bedeutung hinaus. Wenn auch nur mit kurzen Einsätzen bedacht, schlossen sich die Solisten Laura Aikin, Wiebke Lehmkuhl, Norbert Ernst und Dashon Burton dieser klanglichen Pracht an.

Welser-Möst bietet dem Publikum neue Erfahrung

In den letzten Takten goss Welser-Möst dann mit großer Geste und anschwellender Dynamik noch einmal Öl ins Feuer: Die Götterfunken schossen nur so durch den Großen Saal. Ein energetisches Finale, das mit einem großbrandartig ausschlagenden, minutenlangen Jubel endete. Mit stehenden Ovationen feierte das Publikum Solisten, Chor, Orchester und vor allem seinen Dirigenten. Welser-Möst hat den Menschen vielleicht nicht das Feuer gebracht, aber auf jeden Fall Beethoven in hell leuchtendes Licht gesetzt.

(APA/Red.)

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