Der 34-Jährige bestritt die Vorwürfe vor dem Wiener Schöffengericht vehement. Er gab an, dass das Mädchen diese Behauptungen “aus Eifersucht” aufgestellt habe, weil er sich von der Kindesmutter getrennt und eine neue Familie gegründet habe. 2008 trennte sich der Mann von der Mutter seiner beiden ältesten Kinder und zog vorübergehend zu seiner Mutter. Ein Jahr lang habe er seine Tochter und seinen Sohn daraufhin nicht gesehen.
“Ich hab Abstand gesucht”, meinte der 34-Jährige zur Schöffensenatsvorsitzenden Elisabeth Reich. Erst ab 2009 gab es regelmäßige Wochenendbesuche der Kinder bei ihrem Vater. Da hätten die Kinder auf der ausgezogenen Wohnzimmercouch geschlafen, er daneben am Boden. Dabei hätte es nie zu Übergriffen kommen können, ohne dass der kleine Bruder etwas mitbekommen habe.
Auch im Badezimmer sei es nicht zu den inkriminierten Tathandlungen gekommen. “Ich habe die Kinder nicht gebadet”, sagte der Angeklagte. “Drei Tage nicht?”, fragte Richterin Reich. “Nein, sie wurden erst wieder gewaschen, wenn sie zu Hause waren. Wenn sie sich dreckig gemacht haben, hab’ ich sie mit einem Waschlappen abgewischt.” Nachdem er 2009 seine jetzige Ehefrau kennenlernte, habe sie die Pflege der Stiefkinder übernommen.
Tochter hätte sich verändert und Lügen erzählt
Als dann der Mann mit der neuen Frau ein Kind nach dem anderen bekam, hätte sich seine älteste Tochter verändert. “Einerseits hat sie sich gefreut, dass Geschwister kommen, aber andererseits hat sie ihrer Mutter erzählt, dass sie von der Stiefmutter gehaut wird”, erklärte der Arbeiter. “Je mehr Kinder auf die Welt gekommen sind, desto mehr hat sie sich verändert”, sagte der Mann, der mit der zweiten Ehefrau vier Kinder hat.
Ende vergangenen Jahres sprach ihn laut Richterin die Ex-Frau an, dass er mit seiner ältesten Tochter sprechen sollte, da sich das Kind an den Armen ritze. “Ich war sicherlich nicht sehr einfühlsam bei dem Gespräch. Ich hab’ gesagt, dass das nur dumme Leute tun. Und wenn sie nicht damit aufhört, lass ich sie in die Geschlossene einweisen.” Das hätte das Kind nur “witzig gefunden”.
Tochter schrieb Vorfälle in Brief auf
Anfang 2018 weinte das Mädchen in der Schule so oft, dass ihre Lehrerin geraten habe, sie soll einen Brief schreiben und dabei all ihre Gedanken niederschreiben. Darin berichtete die mittlerweile 13-Jährige erstmals von dem Missbrauch, wenig später vertraute sie sich der Mutter an. “Ich hab’ von den Gerüchten gehört. Ich hab’ dann das Kind nicht mehr geholt, ich wollte Abstand”, sagte der Beschuldigte, der kurz darauf in Haft genommen wurde. Er habe geglaubt, er habe ein gutes Verhältnis zu seiner Tochter. Als er von den Anschuldigen hörte – “was glauben Sie, wie fühlt man sich als Vater?”, fragte er die Richterin.
Nach der Aussage des Beschuldigten wurde die Öffentlichkeit für die Dauer der Vorführung des Videos der kontradiktorischen Einvernahme des Opfers ausgeschlossen. Der Mann musste sich wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses verantworten.
Freispruch
Der 34-jährige Familienvater ist am Dienstag vom Missbrauchsverdacht im Zweifel freigesprochen worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Das Opfer habe sich in seiner Einvernahme wiederholt widersprochen, sagte Richterin Elisabeth Reich in ihrer Urteilsbegründung: “Es war bis zuletzt nicht schlüssig, ob das passiert ist oder nicht.” Zudem hätten es die jetzige Ehefrau und der Bruder des Mädchens aufgrund der engen Wohnverhältnisse die Übergriffe mitbekommen müssen. Auch sei es dem Angeklagten nicht möglich gewesen, seine Tochter wegen ihres relativ hohen Gewichts aus dem Stockbett zu heben und für den Missbrauch ins Badezimmer zu tragen, meinte Reich.
APA/red