Der 31-jährige Regisseur hat für seine ursprünglich vom Hamburger Thalia Theater stammende Inszenierung die Trilogie auf knappe drei Stunden inklusive Pause gekürzt – eine durchaus stimmige Eindampfung des antiken Stoffes, an deren Frakturen kurze, mehrstimmige Lieder von Max Andrzejewski gesetzt sind, die sich zwischen Kinderlied, Minimalismus und Neoklassizismus bewegen und so einen fließenden Übergang der Sequenzen erlauben.
“Orestie”: Rattenschwanz muss Elektra tragen
Und doch sucht Mondtag innerhalb der drei Teile des Abends den starken Kontrast. So ist der 1. Teil noch stilisiert, distanziert gezeichnet. Über einem durchgängigen Akkord werden die antiken Texte a-psychologisch, unempathisch rezitiert, Choreuten und Solisten wechseln in Dauerrotation der Drehbühne vor einer Glyptothek scheinbar arbiträr die Rollen. Nach dem Mord Klytaimnestras an ihrem Gatten Agamemnon fallen die Fassaden jedoch (dank der kräftigen Nachhilfe eines Bühnenarbeiters zumindest) und entblößen den Blick auf eine Guggenheim-Spirale.
Dieser Quantensprung in die Moderne wird alsbald eine Stufe weitergetrieben und fragmentiert sich zu einem Plattenbau mit Geranien und Satellitenschüsseln. Entsprechend wandelt sich auch das Spiel der Akteure im 2. Teil, der die Rache des Orest und der Elektra an ihrer Mutter zeigt. Die ernste Dekonstruktion erhält Elemente der Parodie, der Ironie, nimmt ihr Sujet nur mehr begrenzt sakrosankt, wird exaltierter.
Trashästhetik bei den Wiener Festwochen 2018
Mondtag setzt auch bei der “Orestie” auf die von ihm bekannte bildstarke Trashästhetik, die am Expressionismus geschult ist, auf eine poppige Hülle, die sich teils aus Versatzstücken der westlichen Kultur zusammensetzt. In ihr wandeln die Darsteller mit ihren Rattenaccessoires als stimmige Proponenten des Gesamtkonzepts, wobei die Maskierung zugleich wie im griechischen Vorbild die Funktion der Entindividualisierung, Archetypisierung des hervorragenden Ensembles hat und damit die Psychologisierung des Geschehens verhindert.
Diese “Orestie” ist damit aber auch zugleich das Gegenbild einer Utopie von der Entwicklung des Menschen zur Demokratie, zum Rechtsstaat, sondern offenbart in seiner Stilisierung zum Versuchskaninchen eine letztlich demokratieskeptische Perspektive des Regisseurs. Auf billige Aktualisierungen des Diskurses verzichtet er, auch wenn am Ende das Gerichtsurteil nicht zur Befriedung der gesellschaftlichen Gruppen führt. Eine Lösung, eine geschlossene Gegenerzählung liefert Mondtag bewusst nicht. Und wird am Ende vielleicht eben deshalb bejubelt.
(APA/Red)