Das Opfer war von einem organisierten Familienverband, der eine Reihe von mittellosen Bulgaren rekrutiert hatte, zum Zweck der Bettelei nach Wien gebracht worden. Zunächst arbeitete der Mann für einen Bruder des Angeklagten, ehe ihn jener im Februar 2015 über- und in seiner ehelichen Wohnung in Meidling aufnahm. Bis zu 20 Personen sollen in der Unterkunft geleben haben, darunter angeblich auch mehrere junge Burschen, die sich in der Stricher-Szene prostituierten.
Bulgarischer Bettler ausgebeutet: Prozess in Wien
Bis zum Juni 2015 kassierte der Wohnungsinhaber die Einkünfte des Bettlers. Dieser verdiente seinen Angaben zufolge an Werktagen durchschnittlich 50 Euro, an den Wochenenden bis zu 100 Euro. Brachte er nicht genug Geld heim, wurde er vom Quartiergeber angeschrien. Schlafen musste der 64-Jährige am Küchenboden. Er wurde auch durchsucht, um sicherzustellen, dass er die erhaltenen Almosen zur Gänze ablieferte.
Der Angeklagte räumte ein, er habe “Schuld auf mich geladen, weil ich manchmal zehn, 15 Euro an mich genommen habe. Das hätte ich nicht nehmen sollen.” Er wisse, “dass ich einen Fehler gemacht habe”. Er habe dem Mann möglicherweise “zu viel Geld abgenommen”. Verteidiger Alexander Philipp konnte allerdings nachweisen, dass der 64-Jährige nicht dazu gezwungen wurde, in die Wohnung seines Mandanten zu übersiedeln. Der Ausgebeutete – er lebt inzwischen nicht mehr in Wien, sondern ist nach Frankreich weitergezogen – dürfte auch keine körperliche Gewalt erfahren haben.
(APA/Red)