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Pussy Riot-Mitglied Maria Aljochina erzählte in Wiener Arena von ihren “Riot Days”

1-01-1970, 00:00

Ende Februar waren einige Mitglieder der kremlkritischen Punk-Formation Pussy Riot beim Versuch einer Protestaktion auf der Krim festgenommen worden. Am Freitagabend stand die Aktivistin Maria Aljochina mit Kollegen in der Wiener Arena auf der Bühne, um mit der Performance “Riot Days” ihre Geschichte zu erzählen. Ein kraftvoller Abend, der den erlebten Wahnsinn der letzten Jahre spürbar macht. Aljochina (auch: Alechina) ist eine jener drei Frauen, die 2012 unter großem internationalen Medieninteresse und zahlreichen Solidaritätsbekundungen zu zwei Jahren Haft verurteilt wurden, nachdem sie in einer Moskauer Kathedrale mit ihrem “Punk-Gebet” gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin protestiert hatten.

In dem zunächst als Buch erschienenen “Riot Days” schildert Aljochina die Geschichte des Kollektivs, die Vorbereitung von Aktionen sowie ihre Zeit im Lager, in dem sie mithilfe eines Hungerstreiks versuchte, ihre Rechte durchzusetzen. Auf der Bühne verdichtet sich diese Geschichte in Kombination mit im Hintergrund laufenden Filmsequenzen und eindringlichen Beats des Psycho-Punk-Duos Awott zu einem aggressiv-sarkastischen Abend, der im Publikum immer wieder Gänsehaut verursachte und Zwischenapplaus aufbranden ließ.

Pussy Riot touren mit “Riot Days” durch Europa

Neun Personen touren seit einigen Monaten mit “Riot Days” durch Europa. Kein einfaches Unterfangen, wie Aljochina und ihre Kollegin Nastya Awott im APA-Interview vor der Show erzählten. “Wenn man etwas im Kollektiv macht, stehen im Hintergrund immer wieder menschliche Beziehungen und unvorhersehbare Ereignisse. Auf der Bühne ist es immer cool, aber im Alltag nicht, weil wir so viele und so unterschiedlich sind”, erklärt Awott. “Wir sind neun Menschen, die mit Freunden und Kindern und Ehemännern und Ehefrauen reisen”, ergänzt Olga Borisova, die Aljochina beim Schreiben des Buchs unterstützte, mit einem vielsagenden Lachen, während ein Kleinkind abwechselnd auf den drei Frauen herumturnt und das russisch-englische Sprachgewirr lautstark unterstützt.

Pussy Riot wollen mit Menschen in Kontakt treten

Aljochina interessiert auch die Reaktion des Publikums, das in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich reagiere. “Da spielen – nicht nur bei Interviews – auch immer lokale Themen und Probleme mit”, so die Aktivistin, die auf der Bühne in einem schwarzen Samtkleid Passagen aus ihrem Buch ins Mikro skandiert und auf dem Höhepunkt des Abends auch die berühmte Wollmaske aufsetzt. Unterstützt wird sie dabei von dem Schauspieler Kiryl Kanstantsinau, der in zitierten Dialogen immer wieder den Gegenpart übernimmt und mit nacktem Oberkörper über die Bühne springt. Anstatt in Hotels übernachte man in jeder Stadt wenn möglich privat, um mit den Menschen in Kontakt zu treten.

Aljochina von Polizei verhört

Dass sie während der Tour einige freie Tage nützten, um auf der Krim mit einer Plakataktion den ukrainischen Filmemacher Oleg Senzow zu unterstützen, den Russland 2015 als angeblichen Terroristen zu 20 Jahren Haft verurteilt hatte, zeugt von der Ernsthaftigkeit, die die Gruppe nach wie vor prägt. “Als wir ankamen, warteten bereits sechs Polizisten auf uns”, erinnert sich Borisova. “Das ist absurd. Du kommst vom Schiff runter, siehst als erstes den Schriftzug ‘Willkommen auf der Krim’ und dann gleich die Polizisten, die dich einfach mitnehmen.” Auch Aljochina wurde auf dem Flughafen von der Polizei erwartet und verhört. Im Anschluss seinen die Aktivistinnen auf der Straße verfolgt und beobachtet worden, sodass es nahezu unmöglich gewesen sei, die geplante Aktion durchzuführen. Lediglich Aljochina habe es geschafft, für kurze Zeit das vorbereitete Plakat hochzuhalten.

Aktivistinnen haben keine Angst

“Ich glaube wir alle waren zehn, zwölf Stunden in unterschiedlichen Polizeistationen. Wenn man hier in Wien mit einem Poster durch die Straßen geht, passiert gar nichts. Und dort machen sie wegen eines einzigen Banners so einen Wirbel”, schüttelt sie den Kopf. “Es ist interessant, wie viel Geld aufgewendet wird, um ein paar Mädchen daran zu hindern, ein Poster hochzuhalten. Das sind ihre Prioritäten”, so Borisova. Angesichts der Lebensumstände der Menschen auf der Krim, die auch aufgrund der Sanktionen “in der Hölle” leben und deren Alltag von Armut geprägt sei, ist ihr Aktivismus für Aljochina unerlässlich. “Es braucht Leute wie uns, die den Mund aufmachen. Die Menschen, die dort leben, trauen sich das nicht, weil sie dann einfach verschwinden und im Gefängnis landen.”

Ob das Kollektiv Angst verspüre? “Man wird keine Leute finden, die sagen ‘Yeah, ich gehe ins Gefängnis’. Aber das passiert halt”, so Borisova. Aljochina nickt: “Man kann Menschen nicht in jene unterteilen, die Angst haben, und jene, die Courage haben. Ich denke, man hat immer beides. Aber es kommt nicht darauf an, was du hast, sondern wofür du dich entscheidest.”

APA/Red.

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