Seit 20 Jahren gehören Gregg Whelan und Gary Winters alias Lone Twin zu den Fixgrößen der britischen Performance-Szene. Anlässlich ihres Bühnenjubiläums hat das ungleiche Duo einen Aufruf an künstlerische Weggefährten gesendet – an Choreografen wie Tim Etchells, Konzeptkünstler wie Bruce Nauman, Kollektive wie den New Art Club – zu einzelnen Songs aus ihrer seit 1997 angesammelten “mighty playlist” eine Choreografie für sie zu kreieren. Die Reaktionen waren höchst unterschiedlich – mitunter von erhellenden Briefen und Reflexionen begleitet – und bilden in ihrer Zusammenschau eine absurd-komische, zugleich aber stets sinnierende Auseinandersetzung mit dem Zurückschauen, dem Herauswachsen, dem Denken oder eben Nicht-Denken und letztlich mit dem Performativen selbst als verzweifelter politischer Akt gegen die Vergänglichkeit. “Last Act of Rebellion” ist der Abend passend betitelt.
Bloß nicht eigenen Gedanken nachhängen
Er fühle sich, wenn er selbst aus dem Publikum jemandem beim Tanzen zusehe, mitunter sehr allein, sagt Whelan anfangs. Denn oftmals habe er dabei das Gefühl, “nicht die angemessene Information zu besitzen”, um den Tanz zu verstehen. Lone Twin macht es deshalb anders: Gleich zu Beginn erhält man eine stichwortartige Roadmap, was man denken soll. Bloß nicht eigenen Gedanken nachhängen – “denn dann bist du allein”. Als Hybrid aus kollektiver Meditationstechnik, minimalistischer Theaterchemie und erfahrenem Entertainment gibt das Stück das Alter seiner freundlichen Protagonisten vor allem über die Routiniertheit ihres Understatements preis.
Jede Menge Konfettibomben
Vor den eigenen Gedanken ist man freilich niemals sicher, noch dazu, wenn das Geschehen auf der Bühne lieber suggestiv als bildreich daherkommt. Wie ein roter Faden zieht sich Bruce Naumans fünfteilige choreografische Anleitung durch den Abend, in der zu den pathetischen Klängen von Tyler Bates großes Theater mit den Fingern gespielt, über Material gestritten und jede Menge Konfettibomben gezündet werden. Bryan Saner steuerte einen köstlichen Pas de deux von Holzstück und Säge zu Bob Dylan bei, der New Art Club eine zarte Deklination des Muskelschüttelns von Zeh bis Haarspitze zu Lows “If I could just make it stop” und Michele Rossignol eine Anweisung, die auch eine Maxime für das Altern ist: Sie sollen dasselbe machen, wie beim Song davor – “aber mehr davon!” – und zu “Help” von den Beatles. Intensität als Resultat und als Gegenmaßnahme zum Vergehen der Zeit. Lone Twin sind älter geworden – und ein bisschen weise.
Tour quer durch Wien
Das imagetanz-Festival, das während der aktuellen nomadischen Spielzeit des brut – Heimstätte Künstlerhaus wird saniert – quer durch Wien auf Tour unterwegs ist, bringt bis zum 24. März unter anderem fünf neue Produktionen der Wiener Szene heraus. Die erste Festivalausgabe von Hausdramaturg Flori Gugger steht unter dem Motto “Reflections”.
(APA/red)