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Staatshaushalt: Was ist ein Nulldefizit?

1-01-1970, 00:00

“Maastricht-Defizit” und “strukturelles Defizit” erfassen auch Länder, Gemeinden und Sozialversicherung – nach einheitlichen europäischen Regeln. Die Regierung rückt neuerdings auch das “administrative Defizit” des Bundes wieder ins Licht und will hier ihr “Nulldefizit” erzielen.

“Administratives Defizit” als Fleißaufgabe

Das “administrative Nulldefizit” ist aber eine Fleißaufgabe, denn gemessen wird Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) in Brüssel am “strukturellen Nulldefizit”, oder genauer am “strukturell nahezu ausgeglichenen Haushalt”. Darunter versteht die EU ein um Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte bereinigtes Defizit von maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Und das hat Österreich sowohl für heuer als auch 2019 zugesagt. Außerdem gilt die noch etwas strengere Vorgabe des österreichischen Stabilitätspakets aus 2012: demnach sind dem Gesamtstaat maximal 0,45 Prozent strukturelles Defizit erlaubt, davon 0,35 Prozent beim Bund. Ein Überblick:

“Administratives Nulldefizit” anfällig für Budgettricks

Wenn die sprichwörtliche schwäbische Hausfrau vom “Nulldefizit” spricht, dann meint sie diesen Wert und auch die Regierung peilt neuerdings ein “administratives Nulldefizit” an. Die Berechnung (im “Finanzierungshaushalt” des Bundes) ist vergleichsweise simpel: Die Ausgaben werden von den Einnahmen abgezogen, unterm Strich bleibt der Saldo. In aller Regel ist das ein Defizit, einen Überschuss gab es zuletzt 1954. Am Beispiel 2017: Der Bund hat 80,7 Mrd. Euro ausgegeben, aber nur 73,8 Mrd. Euro eingenommen – bleibt also ein Minus von 6,9 Mrd. Euro.

Vorteil: Die Methode ist auf den ersten Blick einleuchtend und entspricht am ehesten dem landläufigen Verständnis von Defizit und Überschuss. Nachteil: Die Zahlen sind international nicht vergleichbar (auch, weil Länder, Gemeinden und Sozialversicherung fehlen) und anfällig für Manipulation und Budgettricks. Seit dem EU-Beitritt wird daher das verlässlichere (und meist für den Gesamtstaat und nicht nur für den Bund ausgewiesene) “Maastricht-Defizit” verwendet.

Die Geburt des “Maastricht-Defizits”

Als sich die EU zur Währungsunion mauserte, mussten auch vergleichbare Staatsfinanzen her: Das “Maastricht-Defizit” war geboren, benannt nach der niederländischen Stadt, wo 1992 der erste EU-Vertrag unterzeichnet wurde. Es weicht von der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung des administrativen Defizits ab, weil es auch außerbudgetäre Einheiten erfasst (ÖBB, Hochschulen, Landeskrankenhäuser). Ähnlich wie in einer Firmenbilanz werden Einnahmen und Ausgaben in der Regel dem Jahr zugerechnet, in dem sie fällig werden – unabhängig vom Datum der Überweisung. Am Beispiel der Steuereinnahmen: Die Mehrwertsteuer für Oktober bis Dezember wird erst im Februar des Folgejahres bezahlt. Für das vierte Quartal 2017 ist das Geld also erst im Februar 2018 an die Finanz geflossen und reduziert heuer das administrative Defizit.

In der Maastricht-Bilanz werden die Einnahmen aber dem Jahr 2017 zugerechnet. Vorteil: Die Zahlen sind international vergleichbar, Budgetkosmetik wird erschwert. Nachteil: Spätere Korrekturen durch das EU-Statistikamt Eurostat sind keine Seltenheit. Daran scheiterte auch das schwarz-blaue “Nulldefizit” 2001: Weil Eurostat diverse Bilanztricks von Bund und Ländern im Nachhinein untersagte, kippte der ursprünglich gefeierte Überschuss nachträglich in ein Maastricht-Defizit von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein Maastricht-Nulldefizit wird nun für 2019 erwartet.

“Strukturelles Defizit” löst “Maastricht-Defizit” ab

Mit der Verschärfung der EU-Budgetregeln 2011 (“Fiskalpakt”) rückte eine weitere Variante in den Blick, die flexibler auf starke Konjunkturschwankungen reagiert. Seither hat das “strukturelle Defizit” das “Maastricht-Defizit” als zentrale Messlatte gesunder Staatsfinanzen weitgehend abgelöst. In der Theorie ist es schnell erklärt, denn es bezeichnet das um Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte bereinigte Maastricht-Defizit. Im Klartext: In schlechten Zeiten wird das Defizit durch krisenbedingte Belastungen (steigende Arbeitslosigkeit, geringe Steuereinnahmen) nicht erhöht, dafür sinkt es auch nicht, wenn in guten Zeiten die Steuern besonders stark sprudeln. Und auch Einmal-Einnahmen wie der Verkauf von Handy-Frequenzen lassen das Defizit unverändert.

Damit sollte das strukturelle Defizit in guten Zeiten höher sein als das Maastricht-Defizit, in schlechten Zeiten niedriger. Der Nachteil: Wie groß der Konjunktureffekt wirklich ist, lässt sich nur im Nachhinein abschätzen und auch da nicht wirklich zweifelsfrei, denn für die Berechnung gibt es mehrere Methoden. Trotzdem drohen den EU-Staaten Strafen, wenn sie das “strukturelle Nulldefizit” grob verfehlen.

(APA/red)

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