In ihren Herkunftsländern ausgebildete Lehrer haben aktuell keine Möglichkeit, im österreichischen Schulsystem Fuß zu fassen. Der im Herbst 2017 gestartete Zertifikatskurs für Lehrer der Sekundarstufe mit mindestens Bachelorabschluss, anerkanntem Bleiberecht und ausreichenden Deutschkenntnissen wurde ins Leben gerufen, um hier Abhilfe zu schaffen. Elf Frauen und zwölf Männer – das Gros davon aus Syrien (16) – durchläuft noch bis Ende Juni das Programm.
Projekt bietet geflüchteten Lehrern Einstiegshilfe in Wiener Schulen
Vermittelt werden an drei Tagen pro Woche “Allgemeine Bildungswissenschaftliche Grundlagen”, an zwei weiteren Tagen sind die Pädagogen an Wiener Schulen tätig, dazu kommen parallel noch Deutschkurse. Das Programm sei “sehr intensiv”, sagte Jomard Rasul, der an der Universität Damaskus einen Bachelorabschluss in Physik hält und am Gymnasium an der Anton-Krieger-Gasse in Wien-Liesing “sein” Fach unterrichtet.
Man hoffe auf die Chance, auch danach weiter an Wiener Schulen angestellt zu werden, so die Programm-Teilnehmer. Als Absolventen können sie dann über Sonderverträge in heimischen Schulen angestellt werden. Seitens des Stadtschulrates mache man keinen Unterschied zwischen Absolventen des Programms und anderen Lehrern, sagte Ulrike Doppler-Ebner, Pflichtschulinspektorin für Wien-Floridsdorf. Da aber viele Teilnehmer Ausbildungen in gefragten Fächern, wie Mathematik, Informatik, Chemie oder Physik – also den sogenannten MINT- Fächern – vorweisen können, hätten viele vermutlich gute Chancen auf eine Weiterbeschäftigung. Darüber hinaus gibt es auch Sport- oder Geschichtelehrer sowie die ebenfalls aus Syrien stammende Kunst-Absolventin Marwa Sarah, die ihr Unterrichtspraktikum an einer NMS in Wien-Floridsdorf absolviert.
21 Asylwerber an Wiener Volksschulen tätig
Neben dem Zertifikatskurs sind im Rahmen eines “CORE”-Projekts auch 21 Asylwerber mit pädagogischer Vorerfahrung unterstützend an 17 Wiener Volksschulen und vier NMS tätig. Maximal zehn Stunden pro Woche fungieren sie etwa als Dolmetscher, Nachmittagsbetreuer, als Begleitpersonen bei Exkursionen oder unterstützen in der Elternarbeit.
Der Wiener Bildungs- und Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) zeigte sich überzeugt, dass die Absolventen der Programme “für Schulen wertvoll” sind, nicht zuletzt, da aktuell rund 5.000 Flüchtlingskinder an Wiener Schulen unterrichtet werden. Im Rahmen des übergeordneten Projekts “CORE”, das über drei Jahre mit sechs Millionen Euro dotiert ist und zu 80 Prozent von der EU gefördert wird, verfolge man insgesamt den Ansatz “Geflüchtete dabei zu unterstützen, auf eigenen Beinen zu stehen”, sagte Czernohorszky.
“CORE”-Zentrum in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus
Diesem Ansatz folge man auch bei einem “Peer Mentoring”-Projekt, in dem Flüchtlinge Informationen über arbeits- und sozialrechtliche Rahmenbedingungen in Österreich erhalten, um besser für das Fußfassen am Arbeitsmarkt vorbereitet zu sein. Über die Wirtschaftsagentur Wien bietet man über das “CORE”-Zentrum in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus Workshops zur Vorbereitung auf die Selbstständigkeit etwa in der Gastronomie, Tischlerei, Bäckerei oder im IT-Bereich an. Neben anderen Maßnahmen gebe es auch ein Programm zur Unterstützung von schwangeren Geflüchteten und jungen Müttern, in dem Mentorinnen Informationen über das Gesundheitssystem weitergeben.
Seitens der EU, die die Programme aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen der Urban Innovative Actions Initiative fördert, werde das Wiener Modell “als Vorzeigeprojekt” angesehen, so der Chef des Fonds Soziales Wien (FSW), Peter Hacker. Dass ein Vorhaben zu 80 Prozent seitens der EU finanziert wird, sei insgesamt selten.
Ob der Zertifikatskurs für Lehrer auch im nächsten Schuljahr weitergeführt wird, stehe allerdings noch in den Sternen. Seitens der Projektpartner wäre man dazu bereit, sagte Projektleiterin Michelle Proyer, die weitere Finanzierung sei aber noch nicht gesichert. Bei der Durchführung kooperiert der Stadtschulrat mit dem AMS, dem Außenministerium und dem “CORE”-Zentrum.
(APA/Red)