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Die Maske macht den Narren frei

11-02-2018, 06:00

Der Fasching hat seinen Höhepunkt erreicht. Es wird ausgelassen gefeiert, was sonst tabu ist, scheint jetzt erlaubt.

"Das Wort Carne bedeutet Fleisch. Der Karneval ist folglich die Zeit, in der die Menschen noch einmal ausgelassen feiern und essen, bevor am Aschermittwoch die Fastenzeit beginnt", erklärt Isabella Woldrich. Sie ist klinische und Gesundheitspsychologin, Autorin und Kabarettistin in Linz. Der Fasching habe somit zwei Hintergründe: Das Völlern und in andere Rollen zu schlüpfen. Wer in andere Rollen schlüpfe, lerne andere Aspekte seiner Persönlichkeit kennen.

Meinungsfreiheit

"Die Lust, sich zu verkleiden, gibt es fast seit Menschengedenken. Die Kleidung sagt viel über einen selbst", sagt sie dem KURIER. Das Verkleiden sei seit langem wichtig für die Menschen. "Unterdrückende Systeme haben dazu geführt, die Meinung nicht sagen zu dürfen." Man habe sich zu helfen gewusst. Die Verkleidung habe es wieder erlaubt, die Meinung zu sagen. "Verkleidungen werden noch heute häufig genutzt, um Themen kritisch aufzuarbeiten." Das Lästern und Spotten über andere beruhe auf der uralten Tradition des Hofnarrs. "Er war zum Beispiel dauerhaft verkleidet und der Einzige, der dem Herrscher die Meinung sagen durfte, ohne schlimme Folgen befürchten zu müssen."

Alte und neue Tradition

Diese Form des Lustigseins habe sich mit der Möglichkeit der freien Meinungsäußerung verändert. Die Menschen seien selbstbewusster und würden sich und ihre Persönlichkeitsmerkmale und Rollen wesentlich besser kennen. "In dieser Hinsicht haben wir heute in Österreich mehr Freiheiten als vor 100 Jahren, ganz zu schweigen vom ’finsteren Mittelalter’."

Faschingsgilden könne man demnach als eine frühe Form des politischen Kabaretts bezeichnen. Heute seien wir die Tradition des Faschings gewöhnt. Im Laufe der Zeit würden immer wieder neue Traditionen entstehen, teils auch nur für einzelne Generationen. Als Beispiel nennt Woldrich den Brauch, sich zu Halloween zu verkleiden. Das sei hierzulande vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt, weil dies aus amerikanischen Fernsehserien bekannt und übernommen wurde. "Der Trend geht dahin, dass das bei uns irgendwann eine normale Tradition wird."

Foto: /Kabarettwoldrich/Fellner Klemens Woldrich: Verkleidungen bieten Kritikern seit jeher Schutz

Von Nonne bis Trump

"Die Liebe, eine Tradition fortzuführen, beginnt in der Kindheit. Oft will man sie mitnehmen ins Erwachsenenleben." Bei der Lust am Verkleiden sei eine weit verbreitete Meinung, je aufwendiger das Kostüm und die Maskerade ist, umso besser sei es. Natürlich würden auch heute noch verborgene Persönlichkeitsmerkmale und Vorlieben gerne als Inhalt der Verkleidung herangezogen. Man schlüpfe gerne, wenn auch nur einmal im Jahr, in die Rolle seines Superhelden, wenn man sonst schüchterner sei.

Grundsätzlich könne man davon ausgehen, dass sich Menschen, die sich als die so häufig in Anspruch genommene Nonne verkleiden, in ihrem Privatleben wenig Nonnenhaftes an sich haben. Aber oft seien einfach die vorhandenen Ressourcen der Grund für ein Faschingskostüm. "Denn aus einem Leintuch und schwarzer Farbe ist schnell ein Geist gebastelt." Besonders aktuelle Zeitthemen zeigen sich laut Woldrich stark in den Verkleidungen. Donald Trump sei vor seiner Präsidentschaft nur sehr finanzversierten Menschen ein so wichtiger Begriff gewesen, um ihm ein Faschingskostüm zu widmen.

Gratwanderung

Vor allem in Faschingsgilden und Faschingssitzungen werden aktuelle Zeitthemen und Personen aufs Korn genommen. "Dabei ist das Übertreiben von Inhalten ein wichtiger Puffer. Denn in abstrusen Dosen kann die oft ’bittere’ Wahrheit vom Publikum oder den Betroffenen besser angenommen werden", meint Woldrich. Auch wenn die Späße oft derb und unter der Gürtellinie lägen, seien jene, die aufs Korn genommen wurden, nicht in der Position, sich zu wehren. Sonst würden sie als Spaßverderber gelten. "Der Grat zwischen Humor und Verletzung ist sehr schmal, daher ist Fingerspitzengefühl und Wertschätzung eine wichtige Grundlage für das Kreieren von ’Späßen’." Aber im Fasching sei bekanntlich alles erlaubt, wenn auch nur für kurze Zeit.

Die fünfte Jahreszeit

Der Fasching wird landläufig auch die fünfte Jahreszeit genannt. Das Salzkammergut hat zu dieser Zeit seit mehreren Jahrzehnten eine tragende, traditionsreiche Rolle. Zwei der "Faschingshochburgen" sind bis heute Ebensee und Bad Ischl.

Der morgen, am Faschingsmontag ab 15 Uhr stattfindende Ebenseer Fetzenzug gilt dort als einer der höchsten Feiertage. Mittlerweile ist er immaterielles UNESCO Kulturerbe. Die Narren ziehen aus der Kohlstatt ins Zentrum des Marktes. Neben zerschlissenen Regenschirmen ist die Bekleidung aus alten, abgetragenen Frauenkleidern mit vielen bunten Stoffresten, geschnitzten Holzmasken und ausgefallenen Kopfbedeckungen zeichenhaft. Beim Faschingsumzug in Bad Ischl werden am Dienstag knapp 1.000 Mitwirkende erwartet. Am Aschermittwoch wird dem bunten Treiben ein Ende gesetzt, die Fastenzeit beginnt. In Ebensee wird am Traunufer bei Mündung Langbathbach wird eine große Fetzenpuppe verbrannt. Außerdem gibt es den alten Brauch des Brieftascherlwaschens. Er bringt zum Ausdruck, dass häufig so lange gefeiert wurde, bis die Brieftaschen leer waren.

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