Den Lehrermangel gibt es genau genommen aber schon längst – er wirkt sich nur noch nicht in den Klassenzimmern aus. 2008 wurde dahingehend eine eigene “Wiener Erklärung” verfasst.
Lehrermangel in Österreich vorhanden, Auswirkung noch nicht spürbar
Grund ist eine Art “Schweinebauchzyklus” – jene Pädagogen, die ab den 1970ern aufgenommen wurden, gingen bzw. gehen rund 40 Jahr später in Pension. Ursprünglich rechnete man mit dem Höhepunkt dieser Pensionswelle in den Jahren 2016 bis 2018 – aufgrund diverser neuer Pensionsregelungen könnte sich dies aber nach hinten verschieben. Den “Lehrermangel” gibt es aber schon jetzt: Das heißt nur nicht, dass die Klassenzimmer leer bleiben. Vielmehr werden diese einerseits durch Überstunden der anderen Lehrkräfte bzw. durch Sonderverträge mit (noch) nicht ausgebildeten Lehrern besetzt.
Pro Schuljahr fallen laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2017 rund fünf Mio. bezahlte Überstunden an – dazu kommen noch unentgeltliche Supplierungen, die die Lehrer laut Dienstrecht in einem bestimmten Ausmaß leisten müssen. In diesen Zahlen sind allerdings sowohl die etwa krankheitsbedingten kurzfristigen Ausfälle enthalten wie Dauer-Mehrdienstleistungen, wenn an der Schule dauerhaft nicht ausreichend Fachlehrer zu finden sind.
Sonderverträge für “Quereinsteiger”
Dazu kommen noch Studenten, die noch im letzten Studienjahr sind bzw. Absolventen, die noch über keine volle Lehrbefähigung verfügen – etwa weil sie das Unterrichtspraktikum (das von einem erfahrenen Lehrer begleitete Einstiegsjahr mit geringer Lehrverpflichtung) noch nicht hinter sich gebracht haben. Sie werden mit Sonderverträgen ausgestattet und unterrichten meist mit einem geringeren Stundenausmaß (um nebenbei die Ausbildung abzuschließen). Sonderverträge erhalten auch sogenannte “Quereinsteiger” – also Absolventen eines ähnlichen Studiums (z.B. Sportwissenschafter für Turnen) bzw. des weitgehend identischen Fachstudiums. Allein im Pflichtschulbereich unterrichten derzeit rund 2.000 Personen mit Sonderverträgen.
Bei den Pensionen bzw. Neuanstellungen von Lehrern gibt es zahlreiche Unsicherheitsfaktoren: Derzeit gibt es insgesamt rund 126.000 Lehrer, exklusive der Karenzierten sind es 120.000. Pro Jahr geht man laut Prognosen bis 2025 von 3.000 bis 4.000 Pensionierungen aus. Viel schwerer einzuschätzen ist die Zahl der Absolventen. 2015/16 schlossen etwas weniger als 4.000 Personen ein Lehramtsstudium an den Pädagogischen Hochschulen (PH) ab, knapp 2.000 eines an den Universitäten. Künftig dürften es aber weniger werden: Angehende Volksschullehrer müssen statt eines dreijährigen Bachelorstudiums vier Jahre Bachelor- und (bis zur vollen Berufsberechtigung) ein Jahr Masterstudium absolvieren. An den Unis steigt die Studiendauer von neun auf zehn Semester.
Steigende Geburtenzahlen in Österreich
Das bedeutet, dass es im Pflichtschulbereich einerseits mindestens ein Jahr ohne Absolventen geben wird und andererseits die Gefahr von Drop-Outs steigt – je länger ein Studium dauert, desto höher die Gefahr eines Abbruchs. Dazu kommen steigende Geburtenzahlen: 2009 wurden etwas über 76.000 Kinder in Österreich geboren, 2015 bereits über 84.000 mit weiter steigender Tendenz. Das bedeutet einen ebenfalls steigenden Bedarf an Lehrern. Gleichzeitig bedeutet Lehrer auch nicht gleich Lehrer. Ein etwaiges Überangebot an Pädagogen etwa im Volksschulbereich hilft wenig in Mangelfächern wie Naturwissenschaften an den Neuen Mittelschulen und AHS. Dazu kommen regionale Probleme: “Passende” Lehrer können in Flächen-Bundesländern oft nicht dort eingesetzt werden, wo sie benötigt werden.
Entlastung wird es dagegen durch das neue Lehrerdienstrecht geben. Dieses tritt 2019 endgültig für alle neu eintretenden Pädagogen in Kraft und sieht im Pflichtschulbereich eine geringfügige, im Bereich der höheren Schulen eine deutlichere Erhöhung der Lehrverpflichtung vor. Dazu kommen noch bereits jetzt existierende Wartelisten von insgesamt rund 4.500 Personen – wobei diese oft auch nicht sofort verfügbar sind oder für das gesuchte Fach bzw. Schulart “passen”.
(APA/Red.)