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Viktor Orban auf Wien-Besuch: Internationale Pressestimmen

1-01-1970, 00:00

“Frankfurter Allgemeine Zeitung” (Frankfurt am Main)

“Dass das erste Treffen zwischen Sebastian Kurz und Viktor Orban unter Regierungschefs große Aufmerksamkeit finden würde, war zu erwarten. Schließlich fragten sich auch in den Partnerstaaten viele seit der Bildung einer österreichischen Mitte-rechts-Regierung, ob Bundeskanzler Kurz sein Land nun auf einen Kurs bringen würde, wie er schon seit bald acht Jahren vom ungarischen Ministerpräsidenten gefahren wird. Besonders in der Frage der Flüchtlingsverteilung, wie sie von der Europäischen Kommission und mächtigen Mitgliedstaaten wie Deutschland gewünscht wird, ist Orban sozusagen der Bannerträger der Renitenten. Kurz wiederholte zu diesem Thema, Österreich biete sich als “Brückenbauer” zwischen beiden Seiten an. In der Sache unterstützte er freilich vor allem die Forderungen Orbans, verfeinert durch ein kleines Wörtchen. Der Schutz der europäischen Außengrenzen müsse verstärkt werden, sagte Kurz (…). Und: “Das System der reinen Verteilung funktioniert nicht.” Das Türchen, das Kurz öffnete, liegt im Wort “reinen”. Er sei froh, dass inzwischen immer mehr europäische Staaten auch in diese Richtung gingen.”

“Süddeutsche Zeitung” (München)

“Als die beiden Regierungschefs nach knapp zweistündigem Gespräch vor die Presse treten, dreht sich natürlich viel um jenes Thema, das Kurz “illegale Migration” nennt und Orban schlicht “Völkerwanderung”. Einig sind sich die beiden, dass die Verhinderung weiterer Flüchtlingsströme eine zentrale Aufgabe der Europäischen Union ist – und dass die EU auf diesem Feld bislang versagt hat. (…) Doch während der ungarische Heißsporn die Wiener Bühne nutzt, um wieder einmal flammend zur “Verteidigung der christlichen Kultur” aufzurufen, setzt Kurz betont moderierend darauf, “Spannungen in Europa abzubauen”. (…) Während Orban seinen Platz im europäischen Gefüge längst gefunden hat und in der Rolle des notorischen Störenfrieds reüssiert, sucht Kurz noch nach seinem Alleinstellungsmerkmal innerhalb der EU, das ihm als Regierungschef eines kleineren Mitgliedslandes Aufmerksamkeit und Einfluss sichert. “Brückenbauer” ist die Position, die ihm vorschwebt. Dazu braucht er gute Verbindungen zu allen Seiten, vor allem aber auch eigenen Spielraum. Nutzen will er den dann, wenn Österreich in der zweiten Jahreshälfte den EU-Ratsvorsitz übernimmt.”

“Neue Zürcher Zeitung” (Zürich)

“Budapest wie Wien fordern einen strikten Schutz der europäischen Aussengrenzen, und Kurz wiederholte seinen Standpunkt, dass das europäische System der Verteilung von Asylsuchenden nicht funktionieren könne. (…) Dennoch ist die Vorstellung einer Allianz Österreichs mit der Visegrad-Gruppe verfehlt. Das Land machte nicht nur eine andere Erfahrung nach dem Krieg, sondern es hat in vielen konkreten Politikbereichen gänzlich andere Positionen als die V4. So ist Österreich kein NATO-Mitglied und Nettozahler in der EU. Anders als die östlichen Nachbarn will Wien das Budget der Union deshalb eher kürzen. Angesichts der hohen Zuwanderung ist Österreich zudem skeptisch bezüglich der uneingeschränkten Personenfreizügigkeit und möchte die Entsenderichtlinie anpassen, was vorwiegend zulasten Ostmitteleuropas geschähe. In Bezug auf das Rechtsstaatsverfahren gegen Polen schliesslich äusserte Kurz jeweils Unterstützung für das Vorgehen Brüssels.”

(APA/Red)

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