Uneinigkeit gab es hingegen zum Thema der österreichischen EU-Klage gegen den Ausbau des ungarischen Akw Paks und bei der Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder, die im EU-Ausland leben.
Orban bei erstem Treffen mit Kurz: Einig bei Migration, Streitthemen offen
Österreich wolle eine “Brückenfunktion” in der EU zwischen den Visegrad-Staaten und den westeuropäischen Staaten einnehmen, angesichts der “Spannungen”, die “seit der Flüchtlingskrise” 2015 in der Union aufgetreten seien, betonte Kurz vor Journalisten im Bundeskanzleramt. Orban begrüßte dieses Ansinnen Österreichs und meinte, dass Österreich angesichts seiner Geschichte “beide Seiten versteht”.
Erneut betonten beide Politiker die Bedeutung des Schutzes der EU-Außengrenzen gegen die illegale Migration, wobei beide gleichzeitig “den Schengen-Raum stärken” wollen. Orban sah allerdings “mangelndes Engagement bei manchen EU-Binnenstaaten” für den Schutz des Schengen-Raums. “Heute will man die Außengrenzen öffnen und die Innengrenzen schließen”, kritisierte er. Auch der EU-Verteilungsmechanismus schwäche Schengen, weil Migranten in solche Länder geschickt würden, die die Außengrenzen schützten, warnte er. Orban unterstrich erneut Ungarns Engagement beim Außengrenzschutz und betonte: “In Ungarn gibt es keine illegalen Migranten.”
Paks und Familienbeihilfe “keine bilateralen Themen”
Zu den Streitthemen Paks und Familienbeihilfe betonte Orban, dass dies “keine bilateralen Themen” seien. “Das wird weder in Wien, noch in Budapest entschieden, sondern in Brüssel.” Er wies darauf hin, dass die EU-Kommission als Hüterin der Verträge Österreich wegen der Senkung der Familienbeihilfe “schon geklagt hat oder bald klagen wird”. Beide Seiten plädierten in der Frage für Gerechtigkeit, wobei die Sichtweise darauf freilich diametral entgegengesetzt war: Während Kurz betonte, dass die Indexierung der Familienbeihilfe “mehr Gerechtigkeit schafft”, ortete Orban darin eine “Diskriminierung”. Zur österreichischen EU-Klage gegen die Staatsbeihilfen zum Ausbau des Akw Paks gaben sich beide Seiten gelassen. Orban betonte: “Wir werden alles tun, damit die Atompolitik unser Verhältnis (zwischen Österreich und Ungarn, Anm.) nicht trübt.”
Beide Regierungschefs dementierten entschieden Medienspekulationen über eine Erweiterung des Kreises der Visegrad-Staaten (Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen) durch Österreich: “Diese Debatte hat immer nur in den Medien stattgefunden, aber nicht in der Realität”, betonte Kurz. Orban verwies darauf, dass es den Visegrad-Staaten vorrangig um “Stabilität” gehe. Daher hätten sie erst kürzlich bei ihrem jüngsten Treffen erneut bekräftigt, nicht erweitern zu wollen. Freilich strebe man aber eine gute Zusammenarbeit mit Österreich und anderen Staaten an. Auf eine Journalistenfrage zu seiner umstrittenen Formulierung über die “illiberale Demokratie” sagte der rechtsnationale ungarische Premier: “Sobald die Liberalen nicht in der Regierung sind, denken sie, die Demokratie sei vorbei.” Er selbst halte “die Demokratie ohne Attribut für die beste Demokratie”.
(APA/Red.)