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Liederbuch-Affäre: Kern fordert Wiedereinführung des Rechtsextremismus-Berichts

1-01-1970, 00:00

Im Nationalen Sicherheitsrat am Dienstagabend will Kern wissen, warum derart “verfassungsfeindliche Umtriebe” so lange möglich waren. Auch hat die SPÖ Fragen zum Wanzenfund im Vizekanzler-Büro. Man könne zwar froh sein, dass die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eine Zusammenarbeit mit dem freiheitlichen Spitzenkandidaten und früheren Vizevorsitzenden der Germania, Udo Landbauer, ausgeschlossen habe, meinte Kern am Dienstag im APA-Gespräch – von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vermisst der SPÖ-Chef aber klare Worte. Dass sich Landbauer aus der Politik zurückziehen solle, sei “eine Empfehlung, die man der FPÖ geben muss, um weiteren Schaden am Ansehen des Landes zu vermeiden”, sagte Kern.

SPÖ berief Nationalen Sicherheitsrat ein

Die SPÖ ließ wegen der Causa jedenfalls den Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt einberufen – ein vertrauliches Beratungsgremium der Regierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in dem auch die parlamentarische Opposition vertreten ist. Den Vorwurf der Schlagzeilen-Politik weist Kern zurück: Der Sicherheitsrat sei “absolut” das richtige Gremium, denn es gehe um die Frage, wie “verfassungsfeindliche Umtriebe” so lange möglich gewesen seien und welche Konsequenzen es gebe. “Jetzt zur Tagesordnung übergehen, kann nicht sein.” Man müsse “aufpassen, dass der Staat nicht unterwandert wird von solchen Leuten”, erinnerte Kern daran, dass in den blauen Ministerkabinetten einige Burschenschafter sitzen.

Kern glaubt nicht an Einzelfall bei Liederbuch

Dass das Liederbuch ein Einzelfall sei, “da fehlt mir in Wahrheit der Glaube”, meinte Kern. “Was passiert denn eigentlich bei den anderen Burschenschaften? Wann wird es zur Überprüfung der anderen Burschenschaften kommen?”, will Kern wissen. Von der Regierung fordert er, den Rechtsextremismus-Bericht wieder aufleben zu lassen. Einen solchen hat es bis zum Jahr 2002 gegeben, seit der Abschaffung durch Schwarz-Blau sind die Entwicklungen über die rechtsextreme Szene im Verfassungsschutz-Bericht enthalten. Eine Wiedereinführung könnte den “Verdacht entkräften, am rechten Auge blind zu sein”, findet Kern.

Ins Büro von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat der SPÖ-Chef diesbezüglich jedenfalls kein Vertrauen, sitzen dort doch Burschenschafter, und diese seien “nicht in der Lage, objektiv die Szene zu überwachen”, meinte Kern.

SPÖ hat auch Fragen zum Wanzen-Fund in Straches Büro

Verdächtig erscheint dem SPÖ-Chef auch der Wanzen-Fund im Büro von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der vergangene Woche bekannt geworden war. Auch zu dieser Causa will die SPÖ Fragen im Nationalen Sicherheitsrat, der heute ab 19.30 Uhr tagt, stellen. Es sei “völlig ungeklärt, was genau passiert ist”. Kern fragt sich etwa, wie es möglich sei, dass so etwas tage- oder wochenlang unter Verschluss bleibe und warum nicht sofort Anzeige erstattet worden sei. “Entweder ist das verschleppt worden, oder es hat so nicht stattgefunden – beides ist inakzeptabel.”

Bis zum heutigen Tage gebe es dazu keine klare Stellungnahme der Regierung, ärgert sich Kern. Auch sei die Vorgängerregierung – konkret er als vormaliger Kanzler und Thomas Drozda als Straches Büro-Vorgänger – bis jetzt noch nicht offiziell über den Wanzen-Fund informiert worden. “Der ganze Vorgang strotzt vor Ungereimtheiten”, betonte Kern.

In seiner Kanzler-Zeit habe das Heeresabwehramt sein Büro überprüft, sagte Kern auf Nachfrage. Es sei immer alles in Ordnung gewesen. Er habe sich aus Vorsicht persönlich darum gekümmert – verantwortlich für einen funktionierenden Objektschutz sei eigentlich das Innenministerium, erinnerte Kern.

Kern kann in SPÖ keine Personaldebatte ausmachen

SPÖ-Chef Christian Kern kann in seiner Partei keine Personaldebatte ausmachen. Mit dem parteiinternen Zuruf des Bürgermeisters von Purkersdorf und früheren Innenministers Karl Schlögl nach personeller Erneuerung beschäftigt sich Kern nicht: “Auf das möchte ich nicht einmal mit einer Silbe eingehen”, sagte der Parteichef am Dienstag auf APA-Anfrage. Gefragt, ob er fest im Sattel sitze, meinte Kern: “Es kommt mir so vor.” Er kenne Schlögl schon lang genug, wollte der SPÖ-Chef der Äußerung offenbar nicht allzu viel Bedeutung beimessen.

Keinen personellen Handlungsbedarf sieht Kern auch, was seinen geschäftsführenden Klubobmann Andreas Schieder betrifft. Dieser hatte ja am Wochenende die Wahl zum Nachfolger von Michael Häupl als Wiener SPÖ-Chef gegen Michael Ludwig verloren. “Wir arbeiten sehr gut zusammen und ich sehe keinen Veränderungsbedarf”, betonte Kern.

Kern ortet “Erste Erfolge” bei SPÖ-Klubklausur

Angesprochen auf Gerüchte, wonach Schieder in die Wiener Stadtregierung wechseln könnte, verwies Kern darauf, dass es Ludwigs Entscheidung sei, mit wem er zusammenarbeitet. Dieser müsse sich Leute seines Vertrauens suchen und sei auch klug genug zu wissen, dass er nun alle einbinden müsse.

Personalia sind laut Kern jedenfalls bei der Klubklausur, die am heutigen Dienstag stattfand, überhaupt kein Thema gewesen. Stattdessen habe man sich bei der informellen, internen Klausur mit der inhaltlichen Oppositionsarbeit und dem Umsetzungsstand von diversen Projekten beschäftigt. Mit den “ersten Erfolgen” sei er zufrieden, sagte Kern. Man habe eine Diskussion über das von der Regierung verordnete Aus für die “Aktion 20.000” für ältere Langzeitarbeitslose gestartet, und in der Debatte über die Notstandshilfe sei “die Regierung schwer ins Stottern geraten”, wenn es um die “Enteignung” von Arbeitslosen gehe.

APA/Red.

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