“Ich bin 49 Jahre alt und habe in den letzten 14 Jahren mehrere Institutionen geleitet”, so Tim Voss, der das Gefühl hat, “dass sich viele meiner bisherigen Stationen hier neu verbinden”. Als Leiter des Kunstvereins Harburger Bahnhof in Hamburg, des W139 in Amsterdam und zuletzt als Chef der Künstlerhäuser Worpswede sei er “immer sehr nahe an der Kunstproduktion gewesen” und verstehe das “oft schwierige Verhältnis zwischen der Lebensrealität in Künstlerstudios und einer Institution mit all ihren auch budgetären und inhaltlichen Herausforderungen” allzu gut. Voss setzte sich unter 62 Bewerbern aus dem In- und Ausland im Bestellungsverfahren durch.
Voss: “Wieder mehr über Inhalte sprechen”
Im Künstlerhaus, das nach seiner Renovierung spätestens im Juni 2019 wieder eröffnen soll, will Voss “wieder mehr über Inhalte sprechen”. Ein wichtiges Thema in der Vorbereitung des Programms, das künftig im Obergeschoß des Künstlerhauses stattfinden wird, sei die “enge Zusammenarbeit mit der Albertina”. Diese ergibt sich aus der Gründung der Betreibergesellschaft für das Künstlerhaus, an welcher Hans-Peter Haselsteiners Familienstiftung 74 Prozent hält, und der von der Stiftung erworbenen Sammlung Essl, die wiederum der Albertina als Dauerleihgabe überlassen wurde. Die Albertina wird die Sammlung im Erdgeschoß sowie im Souterrain (wo laut Künstlerhaus-Geschäftsführer Peter Zawrel der Fokus auf Fotografie gelegt werden soll) zeigen.
Persönlich kennengelernt habe Voss Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder noch nicht, freue sich aber schon auf die Ausarbeitung der Details zur gemeinsamen Nutzung des Hauses, wo er in einigen Fragen noch “Nachverhandlungsbedarf” ortet. Durch die Kooperation werde man jedenfalls auch als Künstlerhaus neue Besuchergruppen ansprechen können. “Es wird jedoch auch eine Herausforderung sein, die symbolischen Erwartungen der Besucher an eine Kunstsammlung mit der Präsentation junger Kunst zu verbinden.”
Leitbild gemeinsam mit Künstlern entwickeln
Fix ist jedoch, dass das Künstlerhaus “kein ko-finanzierter Projektraum sein kann. Hier stellt sich der Filter der Institution ein. Alles was wir tun, kostet Geld”, so Voss. Das Gezeigte müsse in das Profil der Institution passen. Daher werde er versuchen, gemeinsam mit den Künstlern ein Leitbild für die nächsten zwei Jahre zu entwickeln. Zugleich stellte er jedoch klar: “Ich unterstütze auch das Unwägbare. Ich gehe immer davon aus, dass Künstler die besseren Ideen haben als ich.”
Die Ideen will er bis zum Sommer ausarbeiten und im Anschluss präsentieren. Vor der Eröffnung schwebe ihm eine Art Veranstaltungsreihe als Countdown vor, “die in die Idee einführt, was passieren wird”. Konkreter wurde Voss in Bezug auf die Bespielung der neu errichteten “Factory” über dem so genannten Plastikersaal – dessen Glasdach im Zuge der Renovierung abgerissen wurde, was für Proteste sorgte. Hier schwebt Voss ein “postakademischer Austauschraum” vor, in dem sich die Künstler der Vereinigung miteinander vernetzen können. “Irgendwann nach Ende der Ausbildung, wenn man sein Profil geformt hat, kann es vorkommen, dass man ziemlich allein dasteht.” Die “Factory” soll dieser Einsamkeit entgegenwirken und dem “Zirkel im Hintergrund” dienen. Neben Workshops und Veranstaltungen will Voss auch versuchen, junge Sammler an das Haus heranzuführen, was etwa in Amsterdam erfolgreich gelungen sei.
“Habe natürlich klare Vorstellungen”
“Ich habe keinen Ehrgeiz, hier ein Programm durchzudrücken. Aber ich habe natürlich klare Vorstellungen. Das ist im Wort Leitung mit drin”, so Voss abschließend in Richtung anwesender Künstler, die – neben der Freude über Voss’ Bestellung – auch ihre Befürchtung ausdrückten, an den Rand gedrängt zu werden. Künstlerhaus-Präsident Michael Pilz freute sich jedenfalls, Voss im Zuge des seit einigen Jahren währenden Reformprozesses bestellt zu haben. “Wir haben eine Wahl getroffen, die dem Künstlerhaus wesentlich auf die Sprünge helfen wird.” Geschäftsführer Peter Zawrel bekräftigte einmal mehr seine Freude über die Zusammenarbeit mit der Haselsteiner-Stiftung und versuchte, Ängste von Mitgliedern, das Künstlerhaus werde zu einer Albertina-Dependance, zu zerstreuen: “Die Standortmarke ist das Künstlerhaus.”
(APA/Red)