Reelle Chancen auf Verhandlungserfolge sind wegen neuer Gefechte im Land und der unvereinbaren Positionen beider Lager offenbar gering. Die Delegation der Regierung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad mit Verhandlungsführer Bashar al-Jaafari gab sich bei ihrer Ankunft wortkarg und kommentierte bei ihrem Eintreffen keine Anfrage der zahlreichen Pressevertreter. Bei den bisherigen Treffen kam es nicht zu direkten Verhandlungen der verfeindeten Lager. Jede Gruppe hatte sich nur zu getrennten Gesprächen mit dem UNO-Sondervermittler Staffan de Mistura getroffen. Auch diesmal ist nichts Anderes zu erwarten. Es sei ein “sehr kritischer Moment”, meinte De Mistura am Mittwoch bei einem Zusammentreffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ).
Opposition hofft auf Umsetzung der Resolution 2254
Der Delegationschef der Opposition, Nasr al-Hariri, erklärte ebenfalls am Mittwoch, dass die Agenda des Wiener Treffens eine der längsten seit Beginn der Gespräche sei. Die Delegation der syrischen Regierungsgegner fordert die Ablösung Assads, Neuwahlen unter UNO-Aufsicht und eine Verfassungsänderung. Das lehnt die Regierungsdelegation ab.
Die Oppositionsdelegation hat die Hoffnung, dass ihrer Forderung der Umsetzung der Resolution 2254 des UNO-Sicherheitsrates nachgekommen wird. Diese sieht einen Waffenstillstand der Konfliktparteien und den Stopp der Angriffe auf zivile Ziele in Syrien vor. Der Sprecher der oppositionellen Vertretung, Jihja al-Aridi, erklärte am Mittwoch in Wien, dass Russland, das mit dem Assad-Regime verbündet ist, nun beweisen könne, dass es die Umsetzung der Resolution tatsächlich anstrebe, wodurch Druck auf die syrische Regierung ausgeübt würde.
Achte Runde der Syriengespräche scheiterte
Nach dem Scheitern der achten Runde der Gespräche im Dezember in Genf hatten sich die syrische Regierungsdelegation und De Mistura gegenseitig die Schuld für das abermalige Scheitern gegeben. De Mistura warf der syrischen Delegation vor, nur am Thema Terrorismus interessiert zu sein. Dagegen sei die syrische Opposition bei allen Themen sehr engagiert gewesen. Die Opposition war erstmals mit einer gemeinsamen Delegation vertreten. Vor der UNO-City demonstrierten ca. 30 Personen gegen Assad und für Frieden in Syrien.
Die syrische Armee geht seit Wochen mit russischer Luftunterstützung in der Provinz Idlib gegen Rebellen vor. Die Gespräche wurden neben den Offensiven der syrischen Regierung auch durch die jüngsten Kämpfe zwischen der türkischen Armee und kurdischen Milizen, wie die von den USA unterstützte YPG, in der Region Afrin im Nordosten Syriens überschattet. Währenddessen verschlechtert sich die humanitäre Lage im Land. Wegen der jüngsten Angriffe der Regierungstruppen sind erneut Zehntausende Menschen auf der Flucht. Die Helfer klagen, sie kämen nicht hinterher, die Vertriebenen bei kaltem Winterwetter mit Unterkunft und Essen zu versorgen. UNO-Hilfsorganisationen sprechen von verheerenden Zuständen. In dem fast siebenjährigen Bürgerkrieg in Syrien sind mehr als 400.000 Menschen getötet worden.
Russland und Iran als Verbündete der syrischen Regierung
Am Montag und Dienstag findet in Sotschi außerdem auf Initiative Russlands ein Treffen unter dem Titel “Kongress der Völker Syriens” statt. Dort treten Russland und der Iran als Verbündete der syrischen Regierung auf, die Türkei als Schutzmacht der Opposition. Bei dem Gipfel soll die Nachkriegsordnung in Syrien besprochen werden. Die UNO ist dem gegenüber skeptisch und will verhindern, dass Russland einen eigenen Verhandlungspfad zugunsten Assads etabliert.
Hariri erklärte, dass die Teilnahme der Opposition an dem Gipfel vom Erfolg der Gespräche in Wien abhänge. Auch de Mistura stellt für seine Teilnahme an Sotschi klare Bedingungen: Es müsse sich um eine einmalige Veranstaltung handeln. Sämtliche Verhandlungen etwa über eine Verfassung müssten danach wieder in Genf und unter dem Dach der UNO angesiedelt sein.
APA/Red.