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Teilen, tauschen, gemeinsam nutzen: Landkarte gibt Überblick über Sharing Economy in Wien

1-01-1970, 00:00

Was ist eigentlich Sharing Economy? Wie ist die Lage solcher Projekte in Wien? Worum genau handelt es sich bei dem Projekt der Wiener “Landkarte” für Sharing Economy Projekte der WU und Stadt Wien? Diese Fragen haben wir uns von Sebastian Vith, vom Institute for Public Management and Governance beantworten lassen.

VIENNA.at: Was versteht man eigentlich unter Sharing Economy?

Vith: Sharing Economy ist ein Begriff, der für viele Leute Unterschiedliches bedeutet. Ich habe ein breites Verständnis von Sharing Economy.

Für mich geht es um eine neue Form des Wirtschaftens, bei der Teilen, Tauschen, Gemeinsam-Nutzen, Gemeinsam-Besitzen im Vordergrund stehen. Das Ganze lässt sich abgrenzen von älteren Formen des Teilens, Tauschens, Gemeinsam-Nutzens. In irgendeiner Form gab es das schon immer, dass Güter gemeinsam genutzt wurden. Bei der Sharing Economy geht es eben auch darum, dass in den letzten zehn Jahren, oft durch technologische Unterstützung, neue Geschäftsmodelle entstanden sind, die Teilen, Tauschen, Gemeinsam-Nutzen, Gemeinsam-Besitzen auf eine neue Art ermöglicht haben. Für mich gehört ein ganzes Repertoire an neuen Phänomenen dazu, die eigentlich alle Bereiche unseres Lebens in irgendeiner Form berühren. Das kann eine neue Form des Arbeitens in einem Co-Working-Space sein oder neue Formen des Zusammenlebens. Es geht um gemeinsame Freizeitbeschäftigung, wo man vielleicht auch Urban Gardens dazu zählen kann. Es geht auch um einen neuen Umgang mit Lebensmitteln. Foodsharing würde für mich noch dazu zählen. Aber auch ganz klassisch, das Teilen von Wohnraum und Mobilität, wie über Airbnb und diverse Carsharing-Anbieter.

VIENNA.at: Wie ist Sharing Economy eigentlich in Wien aufgestellt?

Vith: Ich glaube, die Sharing Economy in Wien ist nicht so anders als in anderen europäischen Städten. Wir finden hier alle möglichen neuen Sharing Economy Geschäftsmodelle. Man sieht natürlich auch, dass insbesondere in Städten mit einer jungen Bevölkerung gewisse Geschäftsmodelle eher auftreten. Wien zählt da sicher dazu. Man kann Wien bestimmt in eine Reihe mit Berlin und Amsterdam stellen, wo eine ganze Fülle an sozialen Experimenten stattfindet.

VIENNA.at: Was ist Ihrer Meinung nach der Mehrwert von Sharing Economy – für eine Stadt, für ihre Bewohner?

Vith: Ich glaube der Hauptmehrwert liegt darin, dass eine Gesellschaft neue Formen des Zusammenlebens in kleinen Experimentierräumen erleben kann. Ich glaube nicht, dass Sharing Economy unsere Wirtschaft komplett über den Haufen wirft. Sharing Economy ist für mich weniger ein wirtschaftliches Phänomen als ein gesellschaftliches. Gewisse Modelle werden bleiben und andere werden sich als vorübergehender Trend herausstellen. Da gibt es vielleicht dann wieder einen Schwenk hin zum Privateigentum.

VIENNA.at: Was bringen Sharing Economy Projekte für den Wirtschaftsstandort Wien?

Vith: Innovation im Kleinen ist auch immer Chance für Innovation im Großen. Zum einen hat die eine oder andere Sharing Economy Initiative durchaus Potenzial zu einem großen Unternehmen zu werden. Zum anderen haben auch etablierte Unternehmen hier am Wirtschaftsstandort die Möglichkeit, von Sharing Economy-Organisationen zu lernen und mit ihnen in Austausch zu treten. Und es macht natürlich auch den Standort Wien insgesamt attraktiv, wenn wir ein innovatives Umfeld haben, wo es unterschiedliche Arten von Unternehmensgründungen im Kleinen gibt.

VIENNA.at: Wo können Probleme mit Sharing Economy Projekten entstehen?

Vith: Ich arbeite am Institute for Public Management and Governance und wir schauen uns beim Phänomen Sharing Economy auch Probleme aus der Sicht der öffentlichen Hand an. Bei den Modellen, die wir hier beobachten und die auch medial diskutiert werden, ist ein Hauptproblem die Umgehung von Steuern und Abgaben und die Schaffung von wirtschaftlichen Vorteilen durch die Ausnutzung von Gesetzeslücken. Das klingt jetzt vielleicht noch ein bisschen abstrakt, aber es ist natürlich so, dass diese Plattform-basierten Organisationen, sehr oft nicht hier steuerpflichtig sind, sich nicht an alle Vorgaben hier halten und sehr schnell wirtschaftlich tätig werden können, ohne die entsprechenden Genehmigungen eingeholt zu haben. Das ist zum einen ein Nachteil für die Steuerzahler und zum anderen sind traditionelle Unternehmen, die etwas Ähnliches anbieten, unter Druck. Stellen Sie sich vor, es gibt einen Fahrradverleih, der schon seit Jahren hier tätig ist, einen fixen Standort hat und hauptsächlich Touristen als Kunden hatte. Jetzt gibt es auf einmal free-floating Fahrradanbieter, die zu einem Bruchteil des Preises hier anbieten. Für das etablierte Unternehmen ist das ein wirtschaftlicher Schaden.

VIENNA.at: Was sehen Sie als mögliche Lösungen für diese Probleme?

Vith: Ich glaube, dass die öffentliche Hand, der Staat, Länder und Gemeinden eigentlich die einzigen sind, die wirklich Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen können. Ich glaube nicht, dass Selbstregulierung in einem großen Stil uns zum Ziel führt. Ich sage jetzt mal, Bewusstseinsbildung bei Bürgern ist ein Hebel, an dem man zusätzlich arbeiten kann. Dass Leute auch entsprechend über Gefahren und Chancen informiert werden. Zum anderen ist die öffentliche Hand in der Pflicht, auch ihre Gesetze und Regelungen entsprechend anzupassen, dass man diesen geänderten Rahmenbedingungen Herr wird.

VIENNA.at: Wie sind Sie auf die Idee für die Sharing-Economy-Karte gekommen? Wie funktioniert diese genau?

Vith: Wir haben das Forschungsprojekt gestartet, um zu sehen, was es abseits der sehr prägnanten Beispiele wie Airbnb und Uber eigentlich an neuen Geschäftsmodellen, die Sharing Economy Prinzipien verwenden, in Wien gibt. Die ist seit Kurzem online. Es gibt ein Schwesternprojekt dazu in Deutschland, das schon länger läuft.

Wir haben gemerkt, dass öffentlich über Sharing Economies sehr einseitig diskutiert wird. Man spricht oft nur über die großen, gewinnorientierten Unternehmen. Uns war es wichtig, auch die kleinen Initiativen, die in ihrer kleinen Community eine nachhaltige Wirkung haben, sichtbar zu machen. Dahinter steht der ganzheitliche Blick auf Sharing Economy und das Ziel, kleinere Initiativen sichtbar zu machen.

Zum einen haben wir auf unserer Website einen Atlas der Sharing Economy gestartet. Dabei handelt es sich um eine virtuelle Landkarte von Wien, wo sich Sharing Economy Organisationen selber eintragen können. Zum anderen haben wir selber anhand unterschiedlicher Datenbanken versucht, uns einen Überblick über alle aktiven Sharing Economy Organisationen in Wien zu verschaffen. Es geht uns darum herauszufinden, wie die Sharing Economy-Landschaft in Wien aufgestellt ist  – auch im Unterschied zu anderen Städten.

VIENNA.at: Welchen Mehrwert bringt diese Karte den Bürgern Wiens?

Vith: Ein wesentliches Ziel ist es, das Wissen über Sharing Economy Projekte in Wien den Bürgern zur Verfügung zu stellen. Wir schaffen mehr Sichtbarkeit für die Sharing Economy. Gewisse Modelle mit einem gesellschaftlichen Nutzen können von den Bürgern besser wahrgenommen und genutzt werden.

VIENNA.at: Wie wird sich die Sharing Economy aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren in Wien entwickeln?

Vith: Ich glaube, dass es sehr spannend bleiben wird. Man sieht durchaus nach wie vor Neugründungen von Sharing Economy-Organisationen. Ich glaube nicht, dass es in den nächsten Jahren einen drastischen Wandel geben wird, aber es kann durchaus sein, dass noch ein paar sehr spannende Modelle entstehen, die unser Leben auch nachhaltig bereichern werden.

Informationen zu Sharing Economy in Wien

Das Projekt der Sharing Economy-Plattform wird gemeinsam von der Stadt Wien (MA 23 Wirtschaft, Arbeit und Statistik) und der WU Wien betrieben. Auf der können sich alle Sharing Economy-Projekte selbst eintragen.

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