logo



[email protected]

Klagsdrohungen gegen Baukritik

23-01-2018, 09:25

Darf öffentlich über Bautätigkeit diskutiert werden?  Ja, sollte man meinen. Doch in der Praxis bekommt man es schnell mit  Klagsdrohungen  zu tun. Das erleben derzeit Guides in Wien und Krems,  die touristische Führungen zu ihrer Meinung nach verunglückten Bauprojekten anbieten.  Sie wollen sich aber nicht einschüchtern lassen und treten für ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ein.
Auf ein großes, durchwegs positives Echo ist der KURIER-Bericht  vom vergangenen November über  die Initiative einer Kremser Fremdenführerin gestoßen, die  die Zerstörung historischer Ensembles in  Krems anprangert. Beispielsweise einen Wohnbau, der nur wenig Meter neben einer idyllischen Kapelle in die Höhe wächst   und sie mit seiner Kubatur quasi erdrücke.  Solche  „Schandflecken“ will Ulrike Hohenwarter  demnächst mit einer eigenen Tour vorstellen, um  die Diskussion zum Thema  Stadtgestaltung  zu  beleben. ([email protected]) Doch einem gefällt die Idee gar nicht: Noch bevor die erste Führung stattfand, hat sie ein Bauunternehmer per Anwaltsbrief aufgefordert, ihre Behauptungen zurückzunehmen, und seine Objekte nicht in der Führung zu erwähnen.

Ungeheuerlich

„Das ist grundsätzlich ungeheuerlich“, findet Rechtsanwalt Christian Hirtzberger, der Hohenwarter vertritt.  Sie  empfindet den Brief  als Einschüchterungsversuch. „Wir haben zum Glück Meinungsfreiheit“, sagt sie.
Dem gebürtigen Briten Eugene Quinn erging es ganz ähnlich. Auch seine „Ugly Vienna“-Tour stieß auf Widerstand. Das Management eines prominenten Hotels drohte ihm mit Klage und forderte ihn zur Zahlung von 2000 Euro auf. Auch der Erbauer einer Wohnanlage drohte mit dem Gericht.
Quinn (eugene.quinn@ spaceandplace.at) bleibt aber entspannt: „Ich liebe Wien. Die Führungen sollen ein Betrag zur Diskussion sein, die Verbesserungen bewirkt.“ Die Anwaltsbriefe ignoriert er.
Der betroffene Kremser Bauunternehmer argumentiert, er habe zur  Kapelle  mehr Abstand gehalten, als das Gesetz verlangt. Sein Gebäude sei zudem vom städtischen  Baubeirat „abgesegnet“ worden. Dessen Auftraggeber, die Stadt, ist es, die eigentlich im Visier von Hohenwarters Kritik steht. Sie fragt wie Quinn in Wien: Wie kann eine Stadtverwaltung so etwas überhaupt zulassen?

Fachleute

Der während der  Genehmigung des Kremser Projekts zuständige jetzige Vizebürgermeister Erwin Krammer (ÖVP) meint, Baukritik solle man „Fachleuten überlassen“, nämlich dem  Gestaltungsbeirat. Dessen damalige  Leiterin, Architektin Anne Mautner Markhof, bringt Licht in die Angelegenheit: „Wir haben durch unser Einschreiten verhindert, dass  noch näher, nämlich bis auf drei Meter an die Kapelle herangebaut wurde.“  Entstanden sei das Problem , weil  im Vorfeld niemand eine  widersinnige Grundteilung verhindert habe.

Nachrichtenquelle


© 2017-2024 wienpress.at [email protected]