
In Amerika vergeht gerade kaum ein Tag, an dem nicht eine große (männliche) Figur aus Unterhaltung, Film, Politik, Fernsehen und Wirtschaft unter der Wucht der von Frauen vorgebrachten Vorwürfe über Machtmissbrauch durch sexuelle Belästigung gefeuert wird oder zurücktritt. Nur einer lässt alles an sich abprallen: Donald Trump. Der Mann, über den im Wahlkampf der berüchtigte Pussy-Grapscher-Mitschnitt bekannt wurde. Ein Gespräch mit einem TV-Moderator, in dem Trump im Kern eines sagt: Wenn Du berühmt bist, kannst Du mit Frauen alles machen, ergo: ihnen auch ungestraft in den Intimbereich fassen.
Der Mann, den mindestens 13 Frauen bereits vor Monaten offiziell beschuldigt haben, sie ungebeten geküsst und begrapscht zu haben. Was der Präsident mit der lapidaren Erwiderung bedachte: alles gelogen. Bisher hat das funktioniert.
Die aus dem Fall des Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein entstandene "meToo"-Bewegung, in der Frauen teilweise Jahrzehnte zurückliegende Horror-Erlebnisse beschreiben, hat aber eine neue Dynamik ausgelöst, die Trumps Berater in Unruhe versetzt.
Vier Senatorinnen und Senatoren der Demokraten, darunter die potenzielle Präsidentschaftskandidatin für 2020 Kirsten Gillibrand, forderten Trump zum Rücktritt auf. Samantha Holvey, Jessica Leeds und Rachel Crooks, drei Opfer des Präsidenten, schilderten gerade erstmals öffentlich und gemeinsam en detail ihre Fälle und verlangten eine Untersuchung des Kongresses.
Während bei den Demokraten mit Senator Al Franken und dem dienstältesten Kongress-Abgeordneten John Conyers zwei Schwerkaliber im Strudel der gegen sie vorgebrachten Anschuldigungen untergegangen und zurückgetreten sind, was Trump ausdrücklich begrüßte, hielt der Präsident bis zum Republikaner Roy Moore . Der erzkonservative ehemalige Richter aus Alabama soll sich in jungen Jahren mehrfach an Teenagern vergriffen haben.
Wacht Amerika heute nach der Wahl im Südstaat mit Moore als Senator auf, so heißt es im Umfeld des Weißen Hauses, "wird Trump sich in seiner Strategie bestätigt fühlen". Die da ausweislich einer aktuellen präsidialen Twitter-Nachricht lautet: Die Medien verbreiteten durchweg "falsche Anschuldigungen" und "fabrizierte Geschichten" über Frauen, "die ich nicht kenne oder die ich nie getroffen habe".
Im Fall eines Sieges des demokratischen Kontrahenten Moores in Alabama, Doug Jones, sagen die gleichen Experten, bekäme das Bild der "Unbesiegbarkeit" Trumps "möglicherweise dicke Kratzer". Hier spielt der Fall Summer Zervos eine Schlüsselrolle. Die frühere Kandidatin in Trumps TV-Show "The Apprentice", die von Trump belästigt worden sein soll, klagt vor einem Gericht in New York, weil Trump sie als Lügnerin verunglimpft hatte. Kommt es zum Prozess, "brechen Dämme", sagen Strafrechtler. Begründung: Andere Trump-Opfer würden dann ebenfalls im Zeugenstand landen.
UN-Botschafterin Nikki Haley soll Trump zum Toben gebracht haben, als sie sagte, sie sei "unglaublich stolz" auf Frauen, die ihre Erfahrungen berichten. Ob das auch für die Trump-Anklägerinnen gilt? Darauf Haley: "Wir sollten Frauen zuhören, wen immer sie beschuldigen."
